In der Nacht regent es. Morgens immer noch. Ich hab‘ es nicht eilig mit dem Aufstehen, auch mit dem Frühstücken und Packen nicht. Zum Glück habe ich hier eine „Hütte“ gemietet, eigentlich mehr einen verbretterter Raum mit einem zeltförmigen Dach aus LKW-Plane und einer Matratze. Aber die „Mehrkosten“ von ca. € 1,60 haben sich gelohnt: ich muss jetzt kein Zelt im Regen abbauen und nass einpacken. Raus muss ich irgendwann dennoch. Und wie ich gerade losfahren will, spricht mich noch einer von den Jungs von der Windsurfer-Gruppe an, zu denen ich mich gestern Abend noch gesellt hatte (Lagerfeuer, Gitarren und junger Wein!) und gibt mir Tipps für die Weiterfahrt nach Mikulov, u. a. für das beste Café Tschechiens, das auf einem Berg liegt. Ehrlich gesagt, ist mir bei dem Wetter nicht nach Umwegen, aber vielleicht liegt es ja ohnehin an der Route, dann nehme ich es gerne mit.
Liegt es natürlich nicht! Auf meinen Kaffee muss ich noch etwas länger warten. Aber zunächst mal merke ich, dass die Bremswirkung meines Fahrrads bei dem Wetter erheblich schlechter ist als im Trockenen. Da kommt halt zur Nässe noch das Gesamtgewicht dazu! Ich muss halt daran denken, bergab rechtzeitig und häufiger zu bremsen, auch wenn ich es sonst lieber laufen lasse – Bremsen ist schließlich Energievernichtung! Naja, das nächste Rad hat dann auch Scheibenbremsen.
Was mich seit gestern schon nervt, ist das permanente Geballere. Erst dachte ich, da schießt jemand. Mittlerweile ist mir klar geworden, dass insbesondere in den Weinplantagen, durch die ich jetzt neben Mais- und Kürbisfeldern vermehrt fahre, automatische Bölleranlagen installiert sind, um die Vögel von einer vorgezogenen Weinlese abzuhalten! Die Steigerung erfährt das dann, als kurz vor Mikulov auch noch Bussard- und Falkenschreie aus Lautsprechern zu hören sind!
Kurz vor Mikulov verläuft der Eurovelo 9 gemeinsam mit dem Eurovelo 13, dem Iron Curtain Trail, dem längsten und sicherlich ambitioniertesten Eurovelo. Vom Berliner Europaabgeordneten Michael Cramer initiiert, windet er sich rund 9.500 km von der Barents-See im Norden zum Schwarzen Meer im Süden den ehemaligen Eisernen Vorhang entlang und macht die Teilung Europas während des Kalten Krieges im wahrsten Wortsinn erfahrbar. Der wohl interessanteste Erlebnisbericht hierzu stammt von einem Stuttgarter Paar, die den Weg in drei Etappen von 2012 – 2014 geradelt sind und ihre Erlebnisse in einem Blog festgehalten haben: iron-curtain.blogspot.com.
In Mikulov ist gerade Weinfest. Hier geht es vor allem darum, den jungen Wein unter die Leute zu bringen. Ansonsten zeigt sich hier einmal kurz die Sonne und läßt das Schloss, für das der Ort bekannt ist, erstrahlen. Als nächstes warten noch Valtice und Lednice auf mich, als UNESCO-Welterbe eingetragen als einer der weitläufigsten Komplexe historischer Landschaftsarchitektur: zwei Schlösser, verbunden durch eine 200 Quadratkilometer große Park- und Teichlandschaft.
Letztere kann ich heute nicht wirklich würdigen. Mir sitzt ein Gewitter im Nacken, es regnet aus Kübeln und es ist dunkel wie abends um halb Acht. Dabei ist es erst vier Uhr nachmittags. Aber ich würde gerne noch Schloss Lednice besichtigen, dass angeblich nur bis 17 Uhr auf hat. Als ich aus sämtlichen Kleidungsstücken tropfend, nein laufend, ankomme, ist es viertel vor fünf. Zum Glück stimmt meine Information nicht ganz: Um fünf startet die letzte Führung, die ich dann auch mitmachen kann. Es ist schon eine beeindruckende Pracht, die man da zu sehen bekommt, aber am meisten faszinieren mich die Holzkassettendecken und vor allem die aus einem Eichenstamm geschnitzte Wendeltreppe in der Bibliothek.
Für die Nacht setze ich ein Pensionszimmer unter Wasser, zum Zelten habe ich jetzt echt keine Lust, zumal es immer weiter regnet und gewittert!
[sgpx gpx=“/is/htdocs/wp13020639_ENHI41MCAF/www/wp13020639_wpr384l/wp-cb9ea-content/uploads/gpx/20180901.gpx“]
Lagerfeuer, Gitarren und junger Wein…
Da wird der Thomas wieder jung… 🙂
Hallo Viktor,
Wieder aus dem Urlaub? 😉
Wir verfolgen Deine Reise und freuen uns jeden Tag über neue Berichte! Toll ist es für uns, dass die beiden Eurovelo 9 und 13 auf einem Schild zu sehen sind. 😉
Weiterhin viel Spaß und wenig Regen
wünschen Mary und Pit
Hi Mary und Pit!
Schön, von Euch zu hören! Dass Euch eine Erinnerung an den Iron Curtain Trail gefällt, kann ich mir vorstellen 😉 Ich konnte bei Eurer Tour damals kaum den nächsten Beitrag erwarten. Schön, wenn ich Euch ein bisschen Spannung zurückgeben kann 🙂
Die Eichentreppe ist wirklich sehr schön! Ist die aus einem Stück geschnitzt?
So hab‘ ich das verstanden. Ich kann’s mir aber eigentlich nicht vorstellen. Wahrscheinlich ist sie aus einem Baum geschnitzt, aber aus mehreren Stücken zusammengesetzt!
Wenns den ganzen Tag nur regnet, wird das Ganze natürlich richtig zur Aufgabe… Halt durch!! Die Sonne wartet bestimmt im Süden 🙂
Ich baue darauf! 🙂