Nur 20 Minuten zu Fuß nach Horni Misecky, sagt unser Vermieter. Prima, dann kriegen wir ja noch den Bus um 9:15 zur Vrbatova bouda, unserem heutigen Ausgangspunkt. Der nächste Bus fährt nämlich erst eine Stunde später. Am Ende der Straße, wo es in den Wald geht, dann ein Schild: „Horni Misecky 3 km“. 3 km in 20 Minuten, von denen fünf schon rum sind? Joggender Weise vielleicht, aber auch nicht so steil bergauf, wie es jetzt geht: der „Weg“ ist eine Skipiste und zwar eine rote. 250 Höhenmeter später kommen wir um 9:30 an der Bushaltestelle an, an der aber auch viele Leute stehen und uns versichern, dass der nächste Bus um 9:45 fährt! Hm? Unsere Info stammt vom Tourist Office. Und ein Blick auf das Kleingedruckte des aushängenden Fahrplans zeigt denn auch, dass der nächste 9:45er erst am 1.7. fährt. So lange wollen wir dann doch nicht warten, also nehmen wir – wie alle anderen Wartenden auch – den Bus um 10:15.
Von der Vrbatova bouda gibt es zwei Wege Richtung Elbquelle. Wir nehmen den rechten, der uns am Rand eines Kars entlang führt. Steil brechen die Felswände rechts des Weges ab, rund 400 Meter tiefer sieht man die jungfräuliche Elbe, die hier, nachdem sie sich über viele kleine Kaskaden hinab gestürzt hat, als Bergbach durch dichte grüne Wiesen mäandern darf, bevor sie bereits oberhalb von Spindlermühle in ein Korsett aus gemauerten Böschungen, Staustufen und Rückhaltebecken gezwängt wird, in der Hoffnung, den Ort vor Überflutungen durch Schneeschmelzen und Frühjahrshochwasser zu schützen. Der Blick geht hinüber zum Hohen Rad (Wielki Szyszak) mit dem kirchturmähnlichen Turm der Sendestation, wo einstmals die Schneegrubenbaude stand und leider auch zu dem hässlichen neunstöckigen Gebäude der Elbbaude (Labska bouda), das nach einem Brand der alten Elbbaude von 1969 bis 1975 im Stile sowjetischen Größenwahns errichtet wurde. Die Bauden sind übrigens ehemalige Schutzhütten, die heute meist als Gasthäuser ausgebaut sind.
Die offizielle Elbquelle ist eher unspektakulär: eine rund gemauerte Quellfassung, in die manch Einer eine Münze geworfen hat: Trevibrunnen, Elbquelle: Hauptsache Wasser, das muss einfach Glück bringen – lang lebe der Aberglaube 🙂 Nichtsdestoweniger ist das hier für uns der offizielle Startpunkt unserer Elbetour, vier Tage, nachdem wir abends in Prag gelandet sind.
Von nun an geht’s bergab – aber nur geomorphologisch. Der steile Karrand wird über gut befestigte Wege überwunden und anschließend laufen wir kilometerweit durch frisches Grün: Heidelbeeren, Kiefern, Farne, Huflattich: alles steht voll im Saft. Bei einer Pause sehen wir eine Wasseramsel, kurz danach flüchtet auf dem Weg eine Eidechse vor unseren Schritten.
Am Ende des Weges schreien die Oberschenkel nach Erholung: 1.400 Meter Abstieg gestern und noch mal über 1.000 heute fordern ihren Tribut. Gut, dass es morgen wieder auf die Räder geht!
15 km / 800 Hm (1.040 im Abstieg)