Touristen, Kanäle und Flamingos

Freitag, 13. Juni 2025

Was für eine Nacht! Die Toiletten teile ich mir mit Schwalben und meinen Schlafplatz mit Mücken, die wiederum von Fledermäusen gejagt werden. Leider mit aus meiner Sicht nicht ausreichender Erfolgsquote. Kommende Nacht suche ich mir wohl doch wieder ein paar Wände um mich herum.

Als ich morgens um 7 Uhr losfahre, beträgt die Temperatur angenehme 21 Grad. Kein Wind, das Rad läuft fast von alleine.

Auf dem ersten Teil meiner Strecke wechseln sich Weinäcker (-berge sind es ja nicht), Campingplätze und Weinverkäufe ab. Die ersten 15 km habe ich hinter mir, als ich das finde, was mir für einen perfekten Morgen noch fehlt: einen Kaffee vor mir auf dem Bistrotisch einer kleinen Boulangerie. Und als zweites Frühstück (das erste war mit ein paar Aprikosen und Frühstückskeksen etwas knapp ausgefallen) gibt es auch noch ein Croissant dazu.

Ein paar Kilometer weiter bin ich plötzlich am Canal du Midi. Hier entlang führt wieder eine „Voie Verte“, wunderbar asphaltiert und bequem zu fahren. Und ich befinde mich auf dem Eurovelo 8, entsprechend ist der Fahrradverkehr selbst schon morgens kurz vor 9 Uhr.

Canal du Midi
Am Canal du Midi

Vieles läuft in Frankreich fahrradtechnisch ja recht gut. Dagegen ist Agde eine Katastrophe: eine große Baustelle in der Stadt, genau da, wo der Radweg herlaufen soll. Dann ist der Radweg mal links, mal rechts der Straße und die Übergänge nicht immer gut gekennzeichnet und damit für die Autofahrer (aber auch für mich) mitunter schwer zu erkennen. Und vor einem Autohaus, wo der Radweg sogar grün eingefärbt ist, ist er mit Pollern so eng verbaut, dass man mit dem Rad gar nicht durch kommt. Abgesehen davon ist es auch nicht für alle Franzosen eine Selbstverständlichkeit, Zebrastreifen vor dem Kreisel frei zu halten. Aber das ist in Deutschland ja auch nicht besser.

Polleritis (und das ist nicht die Stelle vor dem Autohaus!)

Auch die nächsten Kilometer machen es mir leicht, Agde keine Träne nachzuweinen. Es geht an der stark befahrenen oder im Moment stark bestauten D612 entlang, zwar auf separater Radspur, aber trotzdem lärmend, schnurgeradeaus und mit Gegenwind.

Interessant: an den Küstenorten komme ich immer wieder an Hochgaragen für Boote und kleine Yachten vorbei! Kannte ich noch gar nicht!

Als Entschädigung für die D612 fahre ich dann mehr als 15 km bis Sète über eine Nehrung, die den Étang de Thau vom Meer trennt. Von dort dringt die Brandung in mein Ohr und aus den bewachsenen Dünen ein würziger Duft in meine Nase.

Sète gefällt mir richtig gut: viele Kanäle, das Meer vor der Tür, viele Fischrestaurants und kleine Gassen. Das entspricht ziemlich genau meinem Südfrankreich-Klischee. Und eine Gasse voller Graffiti gibt es auch.

Hinter Sète folgt eine Lagunenlandschaft: immer wieder links Wasser, rechts Wasser dazwischen eine Straße oder eine Siedlung mit Palmen und Oleander in weiß, rosa und rot.

Die Temperatur ist schon heftig: wenn ich mal stehen bleibe um ein Foto zu machen, denke ich „boah, das ist so heiß, da mag man sich ja gar nicht bewegen“, was ich dann doch wieder tue, weil ich sonst nicht weiterkomme, aber auch, weil der Fahrtwind kühlt und es mir dann tatsächlich weniger heiß vorkommt.

Und dann seiht sich ein erster Flamingo durchs Bild. Es gibt sie also nicht nur in der Camargue. Zur Erklärung: Flamingos filtrieren mit ihrem „Seihschnabel“ Plankton aus dem Wasser. Und nach dem einen kommen weitere!

Nach mittlerweile 84 km auf dem Rad muss ich mich mal wieder dopen. Am besten geht das bei den Temperaturen hierzulande mit einer Orangina. Dafür nehme ich auch eine Abweichung von meiner Route in Kauf. Wat mutt, dat mutt!

Nun geht es einige Kilometer an teilweise zweispurigen Landstraßen entlang; klar, immer auf geschütztem Radweg, aber trotzdem ätzend. Schön, dass sich die Flamingos, die es hier immer mehr gibt, nicht davon abhalten lassen, trotz des Lärms in der neben der Straße liegenden Lagune zu speisen

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Bernhard Meyer
Bernhard Meyer
26 Tage zuvor

Das mittlere Flamingo-Foto hat für mich einen großen Erkenntnisgewinn: Auch Flamingopopulationen kennen das Phänomen des „Schwarzen Schafes“, sh. das sechste Tier von links.

Weiter gute Fahrt und immer ein Café in der Nähe.