Oben!

Montag, 9. Juni 2025

Was für ein fantastischen B&B! Wunderbar eingerichtete, großzügig gestaltete Zimmer in einer alten Mühle, ein üppiges Frühstück im alten Gebäude, das mit viel Authentizismus restauriert wurde. Geführt wird das „Le Moulin d’entre les Roches“ übrigens von einem Dänen, Ingo, der hier mit Hund, Katze und zwei Eseln lebt (die Esel natürlich nicht in der Mühle)

Ingo gib mir zur Abfahrt noch den Tipp „Fahr schön vorsichtig, sind viele Franzosen auf der Straße!“ Den Tipp sollte er den Franzosen geben, aber abgesehen davon habe ich immer den Eindruck, dass auf Reiseradler (sichtbar am Gepäck) viel mehr Rücksicht genommen wird als auf Alltagsradler in der Stadt.

Die Mühle liegt im Schatten und es ist noch kühl, als ich losfahre. Aber da es gleich bergauf geht, wird mir schnell warm und schon kurz drauf in Puivert komme ich in die Sonne. Und dann sehe ich sie wieder: Geier! Ein ganzer Schwarm kreist am Himmel und nutzt die frühe Thermik, um – ja, was? – nach Aas Ausschau zu halten? Oder einfach nur aus Lust am Kreisen? Jedenfalls liebe ich diesen Anblick!

Heute wird ein fantastischer Tag! Der Himmel ist blau, kaum eine Wolke ist zu sehen und die Sonne scheint, als hätte sie nie etwas anderes getan. Ok, hat sie ja auch nicht, aber vermisst hab‘ ich sie schon!

Liegt das nur am Wetter oder fahre ich heute wirklich die schönste Strecke der bisherigen Tour? Ab dem Col de Tougnets läuft die Straße leicht bergab, ich habe Muße zu schauen und sehe endlich Berge, wenn auch sehr im Dunst. Aber immerhin ist das eine herrlich einsame Straße, kein Auto unterwegs, nur zwitschernde Vögel (und in den wenigen Dörfern hauptsächlich laut palavernde Schwalben).

Rennes-les-bains hat seinen Namen nicht von ungefähr. Schon die Römer hatten hier eine Therme, an der man direkt vorbeifährt, während unterhalb der Straße die Leute auch heute noch baden, wenn auch im Fluss. Im Ort trinke ich einen Kaffee und dann muss ich erstmal sehen, wie ich weiterkomme. Denn hier ist die Straße tatsächlich gesperrt, wie 3 km vorher angekündigt. Aber wie immer gilt das nicht zwangsläufig für das Radl!

Die römische Therme in Rennes-les-bains

Danach windet sich die Straße langsam auf die Höhe. Schön, dass die Steigung 4% nicht übersteigt, denn es ist Mittag und die Temperatur hat die 30-Grad-Marke mittlerweile geknackt. So schnell kann das gehen: vor zwei Tagen hätte ich mir noch Sonne gewünscht, heute ist sie mir schon fast wieder zuviel! Der Mensch sehnt sich halt immer nach dem, was er gerade nicht hat. Was für ein Blödsinn! Das ist doch programmierte Unzufriedenheit! Aber ich nehme es ja eh wie’s ist!

Der Peche (oder Pic) de Bugarach voraus

Eigentlich sollte am 21.12.2012 die Welt untergehen und Bugarach der einzige Ort sein, an dem man den Weltuntergang überleben konnte. So gesehen habe ich Glück, dass ich heute überhaupt hierher kommen konnte!
Jedenfalls wurde der Ort schon ab 2011 von Esoterikern aller Couleur überschwemmt. Viele sind geblieben. Und sie haben überlebt (der Rest der Welt allerdings auch)! Bis heute hat sich der Ort von diesem Image nicht erholt. Hier laufen immer noch Aluhutträger herum – sagte Ingo. Ich habe zwar keinen gesehen, aber ziemlich alternativ ist das Angebot hier bestimmt. Neben normalen Angeboten wie Yoga, Pilates, Osteopathie oder Chi-Gong werden auch Magnet- und Kristalltherapien angeboten, heute findet der letzte von sechs Vorträgen zum Templer-Orden statt und schon in Rennes-les-bains sah ich einen Barfußgänger mit langem Bambusstab, dessen Ende Federn schmückten. Ich habe mich nicht getraut, nach Sinn und Zweck zu fragen, zumal, wie schon gesagt: „Moi Francaise est minimal!“

Bugarach

Oberhalb von Bugarach liegt der Pic (oder Peche) de Bugarach, von dem übrigens manche annehmen, es sei eine Ufo-Garage! Vom Col du Linas aus will ich ihn besteigen – nicht wegen des Nervenkitzels, vielleicht einen Alien treffen zu können, aber es soll ein schöner Aussichtsberg sein (mir fehlt immer noch die Pyrenäen-Gipfel-Sicht!)

Da weiß man vor lauter Aufklebern kaum, wo man ist!

Am Col angekommen, steht der dortige Parkplatz voller Autos. Offenbar bin ich nicht der Einzige, der an diesem Pfingstmontag auf die Idee gekommen ist, auf den Pic zu steigen. Ich mache eine Pause im Schatten, schließe mein Fahrrad ab und mache mich dann um 15:00 Uhr an den Anstieg. Angenehmerweise geht der Weg eine ganze Zeit lang im schattigen Wald bergan. Das ist kühler, als die Fahrt mit dem Fahrrad bis zum Col. Der war übrigens der höchste Punkt der Tour; also der Radtour! Mein persönlicher (topographischer) Höhepunkt folgt jetzt.

Rad abgeschlossen – es kann losgehen!

Blöd nur, dass mein Knie schon seit ein paar Tagen schmerzt und das ist beim Gehen auch nicht besser als beim Radfahren. Ich schmiere es schon jeden Morgen und jeden Abend mit einem entzündungshemmenden Schmerzgel ein, aber wirklich besser geworden ist es noch nicht.

Um 16:45 Uhr bin ich oben auf dem mit 1.231 m nun definitiv höchsten Punkt meiner Tour. Die Aussicht ist zwar sehr dunstig, aber trotzdem fantastisch. Vor allem das Gefühl, wieder mal auf einem Punkt zu stehen, wo es ringsherum nur runter geht, hat sowas von über den Dingen stehen; da kommen einem alle sonstigen Sorgen und Nöte so klein vor wie die Bäume da unten, die noch kleiner aussehen als in einer Modelleisenbahnlandschaft. Nach einer dreiviertel Stunde Gipfelpause steige ich wieder ab.

Was nun? Eine Unterkunft habe ich noch nicht. Ich hatte überlegt, wild zu zelten, wenn auch ohne Zelt. Die Temperaturen würden das heute locker zulassen. Ein bisschen Wasser wäre dabei aber auch nicht schlecht, so verschwitzt, wie ich jetzt bin. Schließlich stelle ich fest, dass es acht Kilometer von hier ein Gîte d’Etappe gibt, in dem noch Betten und sogar Zimmer frei sind. Also mache ich mich auf den kürzesten Weg dorthin. Der geht aber unverhofft über eine Trial-Strecke inkl. Wasserfurt. Hm, sie sieht nicht sooo tief aus und scheint in der Mitte auch fest zu sein. Ich versuch’s! Tatsächlich ist sie sooo tief und nicht fest! Ich komme zwar durch, ohne vom Sattel zu müssen, aber beim Treten kommen die Pedale unter Wasser. Und Schuhe und Socken damit auch!

Geht’s oder geht’s nicht?

Auf der noch warmen Fensterbank vor meinem Gîte-Zimmer trocknen jetzt die Socken. Auch die Schuhe versuchen das, aber ich hab da so meine Zweifel!

Ging nicht!
Time:
9.6.2025, 09:33:4
Duration:
02:44:28
Ascent/Descent:
880 m 444 m
Distance:
43.47 km
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