Lourdes – und dann nach Osten

Lourdes ist eine beeindruckende Melange aus Frömmigkeit und Kommerz. Rund um den „Heiligen Bezirk“ reiht sich ein Laden an den anderen. In allen gibt es geweihtes Wasser, Kerzen und die typischen blauweißen Madonnenstatuen zu kaufen.

Der Bezirk selber ist allerdings Geschäfte-frei. Er atmet eine Aura der Religiosität, des Glaubens und der Frömmigkeit. Überall Gruppen von Menschen, teils mit Prozessionsfahnen, teils im Kreise stehend und betend und viele, in deren Gesichtern einfach nur Freude steht, Freue darüber, hier zu sein.

Ich kann dem selbst nichts abgewinnen und komme mir vor wie ein Eindringling, der eigentlich kein Recht hat, hier zu sein, wie ein Voyeur, der beobachtet, ohne teilzunehmen oder ein Paparazzo, der seine Kamera auf Alles und Jeden hält. Das letzte Argument wird mir immerhin genommen, als ich sehe, wieviele Menschen hier ihre Handys zücken um sich, ihre Freunde und Glaubensgenossen auf diesem Gelände und vor diesen architektonisch wirklich faszinierenden Kirchen aufzunehmen.

Der Höhepunkt der Frömmigkeit befindet sich natürlich in der Grotte der Bernadette, zu der auch am frühen Morgen schon Hunderte von Menschen pilgern, viele in von Freunden gezogenen Rollstühlen und in der Hoffnung, dort Linderung von ihrer Krankheit zu erhalten.

Die Grotte, an der Bernadette ihre Marienerscheinung gehabt haben soll

Mit gemischten Gefühlen, das vielfach gesungene „Halleluja“ noch lange in mir nachklingend, verlasse ich das Gelände und laufe wieder in die Innenstadt.

Pilger warten auf Zugang zur Grotte

Eins allerdings wundert mich: Dafür, dass Lourdes ja reich an Pilgern und Touristen ist und über die vielen Läden und Hotels entsprechende Einnahmen erzielen müsste, sieht das Stadtbild an vielen Stellen erstaunlich verwahrlost aus. Was machen die nur mit dem Geld?

Lourdes: charmant, aber leicht verwahrlost

Ich verlasse Lourdes ostwärts. Die VeloSud macht bald einen Schlenker nach Norden über Tarbes. Warum das so, ist dafür habe ich keine wirkliche Erklärung gefunden. Die einleuchtendste ist noch, dass der Tourismusverband von Tarbes eine gute Lobbyarbeit gemacht hat, denn die Stadt selber soll sich nicht lohnen. Ich folge hier der Empfehlung eines Reiseberichts und verlasse die V81 in Lezignan direkt nach Osten Richtung Bagnères-de-Bigorre.

Auf der D937 gibt es zwar ein paar Autos, aber die Menge hält sich in Grenzen. Dafür werde ich immer wieder von Rennradfahrern überholt

Nach zwei Aufstiegen, die mich auf 550 m Höhe bringen, folgt eine 3 km lange Abfahrt und ich bin wieder 100 m tiefer und treffe im Tal auf den Ardour, der mich bereits aus Bayonne hinaus begleitet hatte.

In Trébons reizt mich ein Friedhof zum Anhalten. Friedhofskulturen sind ja in jedem Land unterschiedlich. Hier gibt es nicht viel Grün, stattdessen viele Steinplatten und Grabsteine und alles ist in Kies eingefasst. Statt Kränzen stehen hier kleine Gedenksteine auf den Gräbern, sodass auf manchen Gräbern ein Dutzend verschiedener, bildhauerisch gestalteter Steinplatten zu sehen sind.

Friedhof in Trébons

Nach Bagnières-de-Bigorre mit seiner merkwürdigen Kirche geht es in die Hügel auf der anderen Seite des Ardour-Tals, also hinauf, manchmal mit durchaus unangenehmen 16 Prozent. Und das kurz nach der Mittagspause, wo mein Körper eigentlich mehr mit Verdauen beschäftigt sein will. Dazu ist die Sonne herausgekommen, aber das wollte ich schließlich so oder nicht? Allerdings hängt aufgrund des Regens der letzten Tage eine ziemliche Schwüle in der Luft.

Bagnières-de-Bigorre

Auf der Höhe angekommen (650 m ü.NN sind es mittlerweile) bietet sich dann wieder ein Blick in die Pyrenäen, zumindest, soweit die Wolken das zulassen. Denn in den Bergen hängen sie immer noch.

Pyrenäen-Vorberge im Rückspiegel

Und dann liegt schon wieder eine Zornnatter auf der Straße. Ich halte an, um sie mir anzuschauen und stelle fest: die lebt ja! Und sie schlängelt sich ganz schnell vor mir weg in einen Wassergraben und auf der anderen Seite in die Böschung. Das geht so schnell, dass ich kaum die Kamera zücken kann.

Offenbar hat sie sich auf dem warmen Asphalt gesonnt, sich aber einen gefährlichen Platz in einer unübersichtlichen Kurve ausgesucht. Sie kann froh sein, dass ich da vorbei kam und nicht ein deutlich schnellerer Lieferwagen, der viel enger in der Kurve gefahren wäre.

Und auch der kann froh sein, aber auf dieser Straße gab es keinen Verkehr, nur einen Radfahrer

Im Folgenden wechseln sich Anstiege und rasante Abfahrten ab. Letztere sind dabei so kurvenreich, dass ich immer wieder bremsen muss, obwohl es ja gegen meine Überzeugung geht. Schließlich heißt Bremsen Energievernichtung! Aber genug der coolen Sprüche, Sicherheit geht vor, Uta würde mir was husten, wenn ich hier leichtsinnig würde!

Ruhe- und Aussichtsplatz bei Castillon

Dann bin ich wieder mal unten auf rund 330 m Höhe. Ein letzter Anstieg steht mir noch bevor, sagt mein Navi und zwar der längste das ganzen Tages. Will ich das wirklich immer vorher wissen?

Der Anstieg entpuppt sich als steil und kieslastig. Nach wenigen Metern denke ich: nee, da muss es eine Alternative geben! Und die finde ich dann auch auf der Karte und plane kurzerhand um.

An einer Abzweigung dann ein Schild „Straße gesperrt“! Naja, als Fahrradfahrer kommt man ja meistens irgendwie vorbei. Ich fahre also hinein und nach einem knappen Kilometer ist es dann soweit: Hier werden gerade Kanalrohre verbudellt. Jetzt steht jedenfalls ein Bagger auf der fast vollen Breite der Straße, vor ihm ein LKW mit Kies. Der Bagger schaufelt den Kies in den Randstreifen, in dem die Rohre liegen und eine Walze verdichtet das Ganze. Ich warte demütig. Nach zwei Minuten haben die Männer ein Einsehen und lassen mich passieren.

Heute übernachte ich in einem Chambre d’Hote bei einer etwas tüddeligen, aber netten alten Dame, die schon zweimal ihr Telefon unter meinen Sachen gesucht hat und ansonsten leider ausschließlich Französisch spricht. Das aber viel, was die Kommunikation zwischen uns ein bisschen schwierig macht. Und als ich nach dem Abendessen zurück komme, fragt sie mich auch zum zweiten Mal, was ich morgen frühstücken möchte. Da bin ich doch gespannt, was ich morgen bekommen werde!

Der heutige Tag war (nach Lourdes) übrigens ausgesprochen zweigeteilt. Bis Bagnières-de-Bigorre ging es wegen der größeren Straßen zügig voran, war dadurch aber auch so naja. Der Nachmittag war dann trotz der vielen Anstiege sehr viel schöner, einfach, weil es über kleine und einsame Straßen ging und dieser Teil auch landschaftlich mit seinen Ausblicken in die Pyrenäen-Vorberge viel mehr zu bieten hatte. Mit noch nicht einmal 60 Kilometern war es wieder eine eher kürzere Strecke, dafür summierten sich die Höhenmeter an die 1.000.

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Bernhard Meyer
Bernhard Meyer
14 Tage zuvor

Hallo, Tom. Lese Deinen Blog mit viel Freude. Deine Beschreibung zu Lourdes hat in mir so viele Empfindungen hochgespült, dass ich darauf auch regieren mag. Das von Dir geschilderte Pilgergebaren habe ich 1:1 auch in Kaevelar beobachtet und wahrscheinlich wird das in allen anderen Pilgerstätten nicht anders sein und dies auch bei den anderen Konfessionen, sh. Mekka. Ich masse mir kein Urteil über die Motivation und das Verhalten der Gläubigen an, aber den Kommerzexzess der Amtskirche finde ich zum k..zen. Und Deine Überlegungen, warum eine so hochfrequentierte Stadt derart vernachlässigt aussieht, habe ich mir auch in Santiago de Compostela gestellt.… Weiterlesen »