Etappe 11 – Weiter südlich geht nicht mehr

14. April

Veli Losinj mit der Pfarrkirche San Antonio Abate (ganz links)

Veli Losinj sieht man seinen ehemaligen Reichtum noch an. Mit der aufkommenden Seefahrt wurde die Stadt wohlhabend und wirtschaftlich stärker als das eigentlich übergeordnete Osor. Das führte auch zu einer der angeblich schönsten Barockkirchen auf den adriatischen Inseln, San Antonio Abate. Mir gefällt sie weniger. Der Barock zeigt sich hier aufgrund der kleinen Fenster eher düster, die gerühmte Orgel des venezianischen Orgelbaumeisters Gaetano Callido von 1876 ist nirgends zu sehen (!?) und vor allem hätte ich, da sie wohl im Wesentlichen von den Kapitänen der Stadt finanziert wurde, mir einem deutlichen Bezug zur Seefahrt erwartet. Einzig ein Kreuz an der Rückwand neben dem Eingang erweckt meine Aufmerksamkeit, hat man hier doch offenbar versucht, Jesu Kreuzigungsgeschichte in einer Collage zu verdichten: Lanze und aufgespießter (Essig-)schwamm umrahmen das Kreuz, an dem auch weitere Objekte wie die Dornenkrone, sein Gewand, das Grabtuch, Hammer, Nägel, Geldbörse und vieles andere dargestellt werden.

Am Ende des Hafens befindet sich die Punta Leva, benannt nach dem hiesigen Kapitän Petar Jakov Leva, der 1829 als erster Kap Horn umsegelt hat. Echt?, denkt jetzt mancher, als Erster? War das denn nicht schon viel früher und außerdem jemand Anderes? Francis Drake oder so? (lt. Wikipedia war es der Holländer Schouten am 29.1.1616, zumindest war er der Erste, der es mit Absicht tat). Aber irgendein erstes Mal lässt sich immer konstruieren und so war Leva „der erste Kommandant von der Ostseite der Adria“, wie uns ein Schild stolz erklärt. Ach so!

Aussichtspunkt an der Punta Leva

In der Nacht hatte es übrigens viel geregnet. Die Luft fühlt sich an wie in der Waschmittelwerbung: nicht nur sauber, sondern rein! Meine Lungen und Bronchien, ach was, alles, was in meinem Kopf eine Öffnung hat, feiert ein Fest! Nun, am Vormittag ist es zunächst trocken, aber windig. Der Wind kommt von Süden. Das heißt: heute heißt er Jugo – alle Winde haben hier einen Namen!

Rovenska

Noch ein interessantes Ding ist der lange Wellenbrecher bei Rovenska, einen knappen Kilometer hinter Veli Losinj. Der wurde gebaut, um den Hafen, vor allem aber die Werft zu schützen, die hier Mitte des 19. Jhd. angesiedelt wurde, um vom Schiffsbauboom zu profitieren. Dumm nur, dass sich das benachbarte Mali Losinj in dieser Beziehung deutlich besser durchsetzen konnte. So musste die Werft nach dem Bau von nur drei Segelschiffen schon wieder geschlossen werden.

Rovenska: Der lange Wellenbrecher (rechts), im Hintergrund die Televrina

Dank eines Barons (Karl Püttlingen), der 1897 einen Spazierweg von Veli Losinj nach Javorna gebaut hat, können wir die nächsten zwei Kilometer mal wieder auf einem ganz bequemen Weg der Kategorie „easy“ laufen.

Auf dem Spazierweg des Barons Karl Püttlingen

Neben den fast schon obligatorischen Kormoranen sehen wir dieses Mal u.a. übrigens auch einen Wiedehopf! Deren Fotos fand ich schon als Kind faszinierend, aber habe ich jemals einen in der freien Natur gesehen? Natürlich ist er zu scheu, um zu warten, bis ich mein Tele montiert habe. Aber wenn schon nicht auf Silizium, so ist er auf jeden Fall im Neuronenspeicher abgelegt!

Kormoran

Der Jugo kommt heute stramm von Süden. Das macht er natürlich immer so, sonst wär es schließlich nicht der Jugo! Aber damit liegt er auf Konfrontationskurs zu uns. Ob er wirklich glaubt, er kann uns noch von unserem Ziel abhalten? Auf der letzten Etappe? Da hat er sich aber getäuscht!

Wegmarkierung, mal anders

Als der Weg ins Inselinnere abbiegt, hört der Wind auf. Feuchtigkeit hängt zwischen den Bäumen, die z.T. über und über mit Flechten bewachsen sind.

Flechten

Unterwegs fragen wir uns, was die vielen Trockenmauern selbst in diesem entlegenen Teil der Insel eigentlich für einen Sinn machen. Klar, früher war die Schafzucht der Haupterwerbszweig der Insel und die Mauern dienten auch zur Parzellierung der Weiden, die durch das Entfernen der Steine auch besser bewirtschaftbar waren. Aber vielleicht hatten die Menschen ja auch einfach nichts anderes zu tun, schließlich gab es noch kein Smartphone, mit dem sie ihre Zeit verdaddeln konnten. Heute möchte man ja manchem zurufen: „Hey, live happens while you’re busy starring at your smartphone!“ Ach, sorry, schon wieder ein Zitat verunstaltet. Ich hoffe, John wird es mir verzeihen. Außerdem bringt uns das jetzt echt zu weit vom Weg ab!

Da wollen wir hin

Der soll uns jetzt bis 14:30 ins unaussprechliche Mrtvaska bringen, den Anleger (und mehr ist da tatsächlich nicht), von dem aus ein kleines Boot nach Ilovik ablegt, einer knapp 6 qkm kleinen Insel noch südlich von Losinj. Kurz vor dem Ort, dessen Namen nicht ausgesprochen werden kann, verlieren wir die Orientierung oder besser gesagt den Wanderweg. Im Zuge eines offenbar neu geschaffenen Glamping-Ressorts wurden hier breite befahrbare Wege angelegt, die uns dazu verleiten, einfach weiterzulaufen, statt nach den (etwas versteckten) Markierungen zu schauen.

Graubehaarte Zistrose
Im Affodill-Dschungel

Nach einigen vergeudeten Höhenmetern finden wir unseren Weg wieder. Die letzte halbe Stunde treibt der Jugo links von uns das Meer auf die Felsküste und ärgert es dabei so sehr, dass es knallt und schäumt.

Das Inselchen Kozjac vor Ilovik

Es beginnt zu regnen. Unser Boot fährt erst in einer Stunde. Wir suchen den Regenschatten einer Trafostation auf und verbringen unsere Mittagspause im Stehen, eingepackt in allen Wärme-, Wind- und Regenschutz, den unsere Rucksäcke hergeben.

Mittagspause im Regenschatten
Überfahrt nach Ilovik

Der Regen bleibt uns auch auf Ilovik erhalten. Besser gesagt: er legt jetzt erst richtig los. Naja, nach soviel Sonne und ein wenig Bora brauchen wir wohl noch eine letzte Herausforderung! Die Wege sind zum Glück einfach. Leider hat Uta schon seit ein paar Tagen Probleme mit ihren Füßen (oder mit den Schuhen?). Aktuell scheinen sich auch zwei Fußknöchelchen irgendwie verhakt zu haben (einmal falsch aufgetreten?) Jedenfalls läuft sie ziemlich unrund. Meine Füße sind zum Glück nach einem Kilometer lediglich nass! Also summa summarum ist der Spaßfaktor gerade deutlich reduziert, aber: hey! Das ist die letzte Etappe! Natürlich stehen wir das jetzt durch! Während ich die Kamera regensicher im Rucksack lasse (die Ilovik-Fotos sind Standbilder der kleinen 1-Zoll-Filmkamera), ist Uta ganz tapfer und bestimmt im Regen auch noch die dritte Zistrose des Urlaubs (eine Montpellier-Zistrose).

Uta beim Bestimmen der Montpellier-Zistrose

Die Landzunge, über die wir laufen, wird zusehends schmaler. Auch der Weg verengt sich nun, Affodill und Baumheide legen sich uns immer wieder in die Quere. Von rechts her bringt der Jugo das Meer zum Brausen, während die Strauchvegetation uns noch vor ihm schützt.

Weglos dem Ende entgegen

Irgendwann ist der Weg zu Ende, aber ein Stück Insel liegt noch vor uns. Da wir am wirklich südlichsten Punkt ankommen wollen, laufen wir weiter über die vom Meerwasser erodierten Kalkfelsen. Obwohl alles nass ist, sind sie nach wie vor enorm rau. Alles ist voller Strandgut: Schwemmholz, Bojen, Schuhe und Sandalen. Imer wieder einzelne Sandalen. Sind die mitsamt Container vom Schiff gefallen oder Hinterlassenschaft migrantischer Schicksale?

Nach Süden nur noch Wasser!

Irgendwann stehen wir auf einem kleinen Hügel, links Wasser, rechts Wasser, vor uns Wasser. Der südlichste Punkt von Ilovik und definitiv das Ende der Via Apsyrtides. Wir sind am Ziel! Rund 150 Kilometer Strecke und 4.000 Höhenmeter liegen hinter uns! Wir halten uns nicht lange auf. Dazu ist es zu ungemütlich hier im Regen und mit dem Jugo, der uns um die Nase pfeift. Also gibt es ein kurzes Erinnerungsselfie und das war’s dann. Freuen und ein bisschen stolz sein können wir auch morgen noch!

Endpunkt erreicht!

Anmerkung: Durch einen dusseligen Benutzerfehler (das Problem bei der Technik sitzt ja zumeist vor dem Display) sieht man vom heutigen Track übrigens nur den Teil auf Ilovik. Die 9,2 km und 165 Hm ab Veli Losinj müsst ihr euch einfach dazudenken.

Time:
14.4.2025, 13:28:
Duration:
02:26:12
Ascent/Descent:
98 m 99 m
Distance:
6.36 km
Kommentare abonnieren?
Benachrichtige mich bei
guest
4 Kommentare
neueste
älteste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen
Angelika
Angelika
2 Tage zuvor

Liebe Uta, lieber Tom,
herzlichen Dank, dass ihr auch mich an der tollen Wanderreise habt teilhaben lassen. Die Fotos sind wieder wunderbar und ab und zu auch so amüsant. Ihr habt den Blick für witzige Details. Von vielen Reisen nach Istrien und auch mal Dalmatien kenne ich den Jugo und Bora sowie die heftigen Regenfälle, das war kein leichtes Wandern! Die Landschaftspanoramen haben bei mir natürlich die Lust auf neue Kroatien-Reisen geweckt…. War das Foto des Gänsegeiers für mich? Ich liebe den erhabenen Anblick dieser Flugkünstler.

Ruht euch gut aus und ein frohes Osterfest
Eure Uli und Angelika

Christa+Reppel
Christa+Reppel
5 Tage zuvor

Liebe Uta, lieber Thomas, das war ja eine starke (!) Wanderung! Ich habe alle Beiträge gelesen und war fasziniert, wie ihr beide mit Energie und positivem Blick alle diese Herausforderungen bewältigt habt.. Ich war in der Zeit, wo ihr den Karst bearbeitet habt, auf der sandigen und anpruchslosen Insel Juist,und zwischen euren Herausforderungen und unserem Faulenzer-Urlaub lagen Welten. Eure Fotos gefielen mir ganz besonders gut, sie wirkten so attraktiv, dass ich oft – trotz des widerspenstigen Karstes – wünschte, dabei zu sein. Ganz herzlichen Dank auch für die historisch spannenden und fundierten Berichte, einfach immer interessant zu lesen. Gute Erholung… Weiterlesen »