Für unsere Verhältnisse stehen wir früh auf: so gegen sieben. Dann beginnt die übliche Routine: Morgentoilette, in aller Ruhe Frühstück machen, „spülen“, Rucksack packen, Zelt abbauen. Bis wir losgehen, ist es halb zehn. Von den anderen sehen wir die ganze Zeit nichts – die sind also offenbar schon vor sieben weg gewesen! Aber sonst wird das wohl auch nichts mit den „six munros“.
Von Shenavall müssen wir erst einmal hinüber nach Larachantivore. Dazwischen liegen allerdings zwei Kilometer Moor mit einem Fluss zu Beginn und einem am Ende der Strecke, natürlich beide ohne Brücke! Aber genau dafür haben wir ja die Tevas mit. Also: Schuhe und Socken aus, Treckingsandalen an und ab in die Kneippkur! Die fällt aber gar nicht so heftig aus: das Wasser ist angenehm erfrischend, ohne wirklich kalt zu sein. Dabei lag hier letzte Woche noch Schnee! Das Furten gelingt bei dem geringen Wasserstand problemlos. Am anderen Ufer angekommen heißt es: Füße abtrocknen, Socken und Schuhe wieder an und immer auf das weithin sichtbare Ziel Larachantivore zu. Den konkreten Wegverlauf geben Erikagestrüpp, Torfschlamm und Moortümpel vor. Immer wieder müssen wir einen Umweg machen, weil wir plötzlich vor einem morastigen Graben stehen, dessen Tragfähigkeit wir definitiv nicht testen werden!
Den Abschluss der Moorwanderung bildet die Querung des zweiten Flusses, natürlich wieder nach vorherigem Schuhwechsel.
Als Entschädigung für den Moor-Hatscher werden wir durch einen schönen Bergweg verwöhnt, den wir unter – jawohl! – schweißtreibender Sonne aufsteigen. Ein Schotte, dem wir unterwegs begegnen, kommentiert das Wetter mit den Worten „In Scotland you rarely say ‚It’s too hot’“. Wir passieren drei Seen und beschließen, am letzten unser Zelt aufzuschlagen – auf einem Sandstrand!
Es ist früher Nachmittag und so beschließen wir, noch einen Munro zu besteigen, aber wirklich nur einen! Das Ziel heißt A’Mhaigdean. Wir umrunden unseren namenlosen See und steigen zum wunderschön gelegenen, dreiseitig von steilen Flanken umschlossenen Loch Mor auf. Weiter geht es auf nach wie vor guten Bergwegen – ein Zeichen dafür, dass diese Route recht beliebt ist, obwohl es sich um den abgelegensten Munro handeln soll – in das Joch zwischen A’Mhaigdean und Ruadh Stac Mòr, einem weiteren Munro, in dessen steiler Fels- und Schutt-Flanke sich zwei Personen mit dem Abstieg mühen und drei weitere mit dem Aufstieg. Ob das ein paar von unseren „six Munros“-Gehern sind?
Oberhalb des Joches verliert sich der Weg in vereinzelte Steigspuren, die uns schließlich auf den Gipfel führen – und was für einen! Über steile Felswände schauen wir hinunter auf das dunkle Wasser des Loch Mor, nach Westen sehen wir über die tief unten liegenden Dubh Loch und Fionn Loch und über Dutzende weitere Seen bis zum Meer, hinüber nach Skye und zu den äußeren Hebriden! Nach Südosten blicken wir hinüber zum Beinn Tarsuinn, unserem Munro von vorgestern und zum Lochan Fada, an dessen östlichem Ende wir unseren herrlichen ersten Zeltplatz erahnen.
Es ist windstill und tatsächlich stellen sich statt der aus den Alpen gewohnten Dohlen bald die ersten Midges ein! Da gibt’s nur eins: „Smidge that midge!“. Im Abstieg treffen wir ein Schneehuhn, das überhaupt keine Scheu zu haben scheint und sich bereitwillig in die besten Fotoposen stellt – Danke! Auch ein paar Rehe beäugen uns neugierig, halten aber lieber etwas mehr Abstand.
Wieder am Zelt angekommen, genieße ich ein Ganzkörperbad im See, der völlig flach und durch die Sonne des Tages auf angenehme Temperatur gebracht ist. Mit einem Backgammon-Turnier beschließen wir den Tag.