Donnerstag, 24.5.

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Der Tag fängt ja schon früh an: um viertel nach drei, als es gerade anfängt zu dämmern, beschwert sich so ein dämlicher Vogel darüber, dass wir mit unserem Zelt offenbar genau auf seinem Standard-Frühstücksplatz stehen. Er zwitschert nicht, er tönt wie ein Wecker! Und genauso laut! Nach etwas Rascheln mit dem Schlafsack nimmt er dann aber doch von weiteren Beschwerden Abstand und wir können noch ein paar Stunden weiterschlafen.

Es wird warm im Zelt – die Sonne scheint! Frühstück am Sandstrand – in Schottland! Wir haben für heute keine allzu große Strecke vor und lassen uns mal wieder Zeit mit dem Packen, so können wir auch das in der Nacht klamm gewordene Zelt trocken einpacken. Zwischendurch kommt noch ein Jogger (!) vorbei und wie immer bei Begegnungen in dieser menschenleeren Gegend unterhält man sich kurz. Er meint, wir hätten und einen „nice spot“ als Zeltplatz ausgesucht und erzählt dann, er wolle 12 Munros ablaufen. Heute! Am Stück! Es geht also noch mehr als nur „the six munros“. Unser gestriger wird sein erster sein.

Wir steigen geruhsam ab zur Bothy Carnmore und haben schon vom Pass einen wunderbaren Tiefblick auf Dubh Loch und Fionn Loch, die durch einen Causeway voneinander getrennt sind, eine künstlich angelegte Landbrücke, die es ermöglicht, trockenen Fußes auf die andere Seite der Seen zu gelangen.

Blick auf auf Dubh Loch und Fionn Loch

Carnmore

Carnmore ist ein herrlich gelegenes, weiß getünchtes Herrenhaus in Privatbesitz und somit nicht zugänglich. Die Bothy befindet sich 100 Meter weiter in einem ehemaligen Schafstall, wobei man das Wort „ehemalig“ durchaus streichen kann. Es riecht zwar nicht mehr nach Schaf, aber davon abgesehen ist das Ambiente in etwa so einladend wie eine Tiefkühltruhe am Nordpol, nur nicht so sauber. Um dafür dem Komfort eines eigenen Zeltes zu entsagen, muss man schon entweder keins dabei haben oder es ist derart nasskalt und stürmisch, dass man für ein schlichtes Dach überm Kopf bereit ist, alles andere zu vergessen!

die Bothy Carnmore – dann doch lieber zelten!

Auf der Wiese vor dem Bothy steht ein Zelt und wir hören Stimmen! Weit über uns. Nach längerem Suchen entdecken wir einen roten Punkt in der Felswand oberhalb – der zweite Kletterer bleibt unseren Augen verborgen, offenbar gut getarnt.

Nach Überquerung des Causeways treffen wir zwei Deutsche, Vater und Sohn, der Sohn läuft in Sandalen, weil er seine Wanderschuhe wegen Problemen mit der Achillessehne nicht mehr tragen kann. Trotzdem will Vater noch bis Ullapool – ob das eine weise Entscheidung ist? Aber immerhin bekommen wir von ihnen die Information, dass in Letterewe, unserem nächsten Etappenziel keine Zeltmöglichkeit besteht, da das zelttaugliche Gelände in Privatbesitz ist. Auch die nächsten Kilometer dahinter sind zum großen Teil eingezäunt, die einzige Möglichkeit besteht vor Erreichen des Herrensitzes zwischen einigen alten Mauern.

Bevor wir uns auf den schweißtreibenden Weg zum Bealach Mhèinnidh machen, legen wir eine Pause auf dem Kiesstrand des Fionn Loch ein und baden die warmen Füße im kühlen Wasser. Als wir wieder aufbrechen, hat die Sonne ein Erbarmen mit uns und macht ihrerseits Mittagspause. Als sie diese beendet, kühlt uns ein angenehmer Wind, der vom Pass herabzieht.

Kühlung nötig – in Schottland!

Aufstieg zum Bealach Mhèinnidh – und sogar auf einem richtigen Weg

Unsere nächste Pause ist auf dem Pass fällig – ohne Wind, dafür scheint die Sonne wieder so prall, als wollte sie uns suggerieren, wir seien am Mittelmeer. Ein Engländer, der uns mit großem Gepäck, langer Hose, rotem Gesicht  und Sonnenhut entgegen kommt, kommentiert das so: „a bit warm today“! Hhm, klarer Fall von britischem Understatement!

Von nun an geht’s bergab und je näher wir Letterewe und dem Loch Maree kommen, desto mehr eröffnen sich neue Geruchsdimensionen. Nachdem wir in den letzten Tagen eigentlich nur uns selber gerochen haben, beflügelt auf einmal Weißdorn die schon entwöhnte Nase. Auch der Ginster gesellt sich dazu, wenngleich der eher nach einer Mischung aus Parfum und WC-Steinen riecht!

Loch Maree

ebenfalls Loch Maree

Gegen halb vier erreichen wir bereits den avisierten Zeltplatz, leider ist der ziemlich zeckenverseucht. Jetzt kann Smidge mal zeigen, ob es auch gegen diese lästigen „tiks“ etwas taugt. Ansonsten klingt der Tag gemütlich aus mit Essen kochen, einem weiteren Ganzkörperbad und einem weiteren Backgammon-Turnier. Wir gehen früh ins Bett, weil wir morgen nicht zu spät los wollen. Schließlich dürfte es wieder heiß werden und wir haben noch etliche Kilometer am Ufer des Loch Maree vor uns, bis wir morgen wieder das Auto erreichen werden.

Ohne Tagebuch wäre die Hälfte bereits wieder vergessen!

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