Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung

Auf dem Zeltplatz habe ich gestern Abend übrigens noch Denis kennengelernt (Denis mit einem „n“, kommt aus dem französischen, das muss er immer erklären – mir natürlich auch). Denis ist am Montag mit einem Freund zum Bouldern ins Werratal gekommen. Nur hatte der Freund nicht soviel Zeit und ist schon wieder weg. Aber weil Bouldern alleine weniger Spaß macht, liegt noch das Bike im Kofferraum von Denis‘ Auto. Das wird ihm dann morgen mal den Hainichen-Nationalpark zeigen. Am Donnerstag fährt er dann wieder nach Hause, nach Rohrsheim in die Nähe von Braunschweig, wo er am Wochenende noch in die Organisation des „Rock im Garten“-Festivals mit rund 700 Besuchern eingespannt ist – Getränke zapfen bis zum frühen Morgen! Langeweile ist wohl definitiv keine Option für ihn!

Denis

Mittwoch, 17. Juli

Die Zukunft gehört dem Pferd –
das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung

Kaiser Wilhelm II.

Ich fahre nach Eisenach und besuche die AWE, die Automobile Welt Eisenach.

Eisenach hat eine lange Geschichte der Automobil-Produktion. Nach der Gründung 1896 wurden bereits zwei Jahre später die ersten „Motorwagen“ unter dem Namen Wartburg verkauft. 1904 wurde daraus Dixi. 1927 wird der Austin Seven in Lizenz gebaut. Ein Jahr später kauft BMW die Fabrik und steigt in die Automobilproduktion ein. Mit Ende des Krieges geht 1945 das Firmenvermögen an die Sowjetische Militäradministration. Es folgt eine Zeit unter der sowjetischen AWTOWELO, bevor die Produktion 1952 in einen volkseigenen Betrieb (VEB) der DDR übergeht. BMW-Name und -Logo dürfen nicht mehr geführt werden. Aus BMW wird EMW (Eisenacher Motorenwerke), das Logo blieb bleibt mehr oder weniger, allerdings wird blau durch rot ersetzt. Nun werden bis 1991 wieder Wartburgs produziert. Danach erfolgt die Übernahme durch Opel.

So, nun möchte ich die Wartburg nicht nur im Firmenlogo sehen, sondern auch in natura. Dazwischen steht aber eine Steigung von 13% und das, wo ich gerade gegessen habe. Aber mit viel Hecheln und einer Normerhöhung des VEB Schweißdrüsen-Produktion klappt auch das.

Faszinierend: Die Wartburg hat eine jahrhundertealte, nahezu friedliche Geschichte. Lediglich zweimal wurde versucht, die Burg zu belagern – erfolglos. So kommt es, dass sie bis heute hervorragend erhalten ist. Außerdem hat sie zwei Protagonisten, die ihr zu Berühmtheit verhalfen: Die heilige Elisabeth (von Thüringen), die bereits als Vierjährige an den Hof des Landgrafen Ludwig IV. kam, um ihn später zu heiraten und sich nach dessen Tod auf einem Kreuzzug einem Leben in Armut und dem Dienst an Armen und Kranken widmete. Sie starb bereits mit 24 Jahren.

Der zweite war Junker Jörg, besser bekannt als Martin Luther, der hier nach dem Reichstag von Worms, auf dem er 1521 geächtet wurde, als politisch und religiös Verfolgter für 10 Monate Unterschlupf fand. In dieser Zeit übersetzte er „mal eben“ die Bibel ins Deutsche, so dass jeder Mann und jede Frau sie lesen oder zumindest hören konnte (die meisten Menschen waren des Lesens damals nicht mächtig) und sich somit nicht mehr auf Gedeih und Verderb der Auslegung durch die katholische Kirche ausliefern musste. Nebenbei schaffte Martin Luther durch diese Übersetzung auch eine Art „Standard-Deutsch“.

An diesem Arbeitsplatz übersetzte Martin Luther die Bibel ins Deutsche

Nach Abfahrt von der Wartburg quäle ich mich anschließend die B19 viereinhalb km zur „hohen Sonne“ hinauf. Kein Radweg, dafür viel Verkehr. Aber: selber schuld! Das kommt halt davon, wenn man den Umweg zurück auf den Werratalradweg scheut. Dafür geht es anschließend schön durch den Wald und bei angenehmen 21 Grad auf dem Rennsteig-Radwanderweg weiter. Zwar gibt es auch hier steile Passagen, aber dafür überholen mich keine Autos. Mit knapp 600 m Höhe habe ich dann meine höchste Höhe des Tages erreicht.

Am Forsthaus Kissel komme ich wieder auf Asphalt und rolle mit angenehmen Gefälle meinem heutigen Etappenziel, Bad Liebenstein, entgegen.

Time:
17.7.2024, 08:47:
Duration:
09:22:33
Ascent/Descent:
927 m 611 m
Distance:
46.31 km
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Bernhard Meyer
Bernhard Meyer
8 Monate zuvor

Hallo Thomas,
keine Defekte, normales Wetter…freut mich, dass Du in ruhigeres Fahrwasser gekommen bist. Ich habe Freude an Deinem Reisebericht, und so lehrreich: Mir war nicht bewusst, dass die mobilen Toiletten früher motorisiert waren.