Welcome to Scotland

Samstag, 20.05.23

Heute morgen hatte ich mir überlegt, diesen Beitrag „Eine entspannende Etappe“ zu nennen, oder so ähnlich. Tatsächlich wurde sie dann doch nicht so entspannend wie gedacht und ich bin auch nicht so weit gekommen, wie ich mir vorgenommen hatte. Und ich liege auch nicht im Zelt, wie ich das ebenfalls gedacht hatte, sondern habe schon wieder ein festes Dach über dem Kopf. Aber mehr davon gleich. So gibt es jedenfalls heute schon wieder ein Update, was ich auch nicht gedacht hatte. Aber jetzt der Reihe nach:

Aus der Stadt heraus und am Carlisle Castle vorbei ist es etwas laut. Doch nach wenigen Kilometern bin ich schon wieder im Grünen und heute ist ein „kurze-Hose-und-Trikot-ohne-Unterhemd“- Wetter. Das tröstet zunächst über die schmerzenden Beine hinweg, in denen ich die Strapazen der letzten Tage deutlich spüre. Immerhin verspricht die heutige Etappe einigermaßen eben zu werden, bevor ich morgen wieder etliche Höhenmeter unter die Reifen bringen muss.

Ich fahre am Fluss Eden entlang – welch schöner Name – und dann über eine wunderbar verkehrsarme Allee. Schließlich bringt mich dann – viel profaner – die M6 nach Schottland,dessen Landesgrenze ich bei Gretna überfahre.

In Gretna Green durften über 200 Jahre lang minderjährige Paare ohne Zustimmung der Eltern heiraten, was viele genutzt haben dürften, um den von den Eltern abgelehnten Partner doch heiraten zu können oder auch, um der Enge ihrer bürgerlichen Elternhäuser zu entfliehen. Der ortsansässige Schmied war dabei die Amtsperson, die die Gültigkeit der Ehe mit drei Hammerschlägen auf den Amboss besiegelte hat. Wie viele dieser Ehen wohl gehalten haben?

Längst gilt Gretna Green als schottisches Hochzeitsparadies. Heiraten kann man hier noch immer, nur nicht mehr wie einstmals in der Schmiede. Heute gibt es dafür drei Trauzimmer, wenn auch alle mit Amboss! Und natürlich vermarktet man hier Vergangenheit und Image. Und das, wie es aussieht, ganz erfolgreich. Es gibt hier zwar nichts, was es nicht auch in anderen Souvenirläden zu kaufen gäbe. Aber hier gebrandet mit der Marke „Gretna Green“.

Hinter Gretna geht es kilometerweit auf Landstraßen nach Westen, in die Richtung, aus der heute der Wind kommt. Na ja, immerhin keine Berge.

Hinter Annan überquere ich den gleichnamigen Fluss. Bei Powfoot komme ich ans Meer. Eine weite Tidenzone lädt Hunde zum Toben und Spaziergänger zum Muscheln sammeln ein. Schön hier!

Am Nachmittag ziehen hohe Wolken einen dünnen Tüll vor die Sonne und nehmen ihr die Wärme. Eine kühle Schwüle legt sich übers Land. Der Wind bleibt. Den ganzen Tag schon fahre ich auf den südlich von Dumfries gelegenen Berg Criffel zu. Lag er heute morgen noch stark im Dunst, so schält sich seine Silhouette mittlerweile immer konturenreicher heraus.

Eigentlich weil ich ja irgendwo hinter Dumfries mein Zelt aufschlagen. Aber irgendwie bin ich auch müder als gedacht. Wenn jetzt ein B&B am Straßenrand auftauchen würde und noch ein Zimmer frei wäre, würde ich es glatt nehmen. Und tatsächlich taucht eins auf, ist aber ausgebucht. Wen wundert’s, es ist Samstag! Ich werde aber auf ein Hotel drei Kilometer weiter verwiesen, das möglicherweise noch etwas frei hat.

Dieses Gourmet-Schaf steht offenbar mehr auf Trocken- als auf Frischfutter. Und das im doppelten Sinne!

Und tatsächlich, hier kann ich die heutige Etappe nach nur 60 km beenden. Das Bad ist zwar separat, aber wenn man ohnehin auf den Preis guckt, nimmt man das gerne in Kauf. Überraschend ist allerdings, dass es keine Dusche, sondern nur eine Badewanne hat. Und die Badewannen-Armatur hat noch nicht mal eine Handbrause. Hm, „Duschen“ unterm Wasserhahn? Obwohl: wenn schon nur eine Wanne da ist, warum nehme ich dann nicht einfach mal ein Bad und lasse meine müden Beine im warmen Wasser dümpeln? Gesagt, getan. So entspannend! Wäre der laute Lüfter nicht, es wäre beinahe so magisch wie mein heimatliches Powernapping nach dem mittäglichen Espresso!

So sollte ich Morgen jedenfalls die nächsten Höhenmeter angehen können!

Time:
20.5.2023, 11:03:
Duration:
06:59:09
Ascent/Descent:
485 m 472 m
Distance:
62.92 km
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8 Kommentare
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Antony
Antony
1 Jahr zuvor

A bath in my b+b is my favourite sight after a long day in the saddle – I’m glad you have discovered it’s delights! Enjoy Scotland 😊

Birgit
Birgit
1 Jahr zuvor

Lieber Thomas, es ist immer wieder schön deine Etappen mitzudurchleben. Gott sei Dank nur lesetechnisch. Mir wird dabei schon immer ganz schlapp im ganzen Körper. Aber durch unsere mentale Begleitung wirst du dein Ziel erreichen. Immer wieder Dank für die tollen Berichte. Weiter so. Birgit

Fee
Fee
1 Jahr zuvor

Wie schön, Dich über diesen Blog ein wenig auf Deiner Reise begleiten zu dürfen, lieber Thomas! Es macht viel Freude, Deine Schilderungen zu lesen…
Liebe Grüße aus Bonn 🙂

Viktor
1 Jahr zuvor

Hoffentlich hast du genug „Scottish Pounds“ dabei 😉
Mit den Banknoten mit der Queen musste man sich ja gelegentlich Kommentare anhören, und ich vermute, dass hat sich mit dem King nicht geändert…?