MediterraNähe

Mittwoch, 27. Juli

Arles-sur-Tech

Nachdem ich meine Füße gestern Nachmittag nach dem Abstieg vom Refuge de Batère auf dem Campingplatz von Arles-sur-Tech  weitgehend geschont habe, sind sie mir heute morgen wieder verlässliche Partner auf dem Weg zum Col de Paracolls. In nachmittäglicher Hitze kann der Anstieg in der „Höhe“ (der Ort liegt nur 282m hoch) eine ziemliche Herausforderung sein. Ich bin froh, dass es vormittags ist und bewölkt, auch so ist es noch schweißtreibend genug.

Seit Arles-sur-Tech ist es eindeutig mediterraner geworden. Ich laufe durch Steineichenwälder, die in höheren Lagen auch schon mal durch Kastanien ergänzt werden. Zirpende Grillen begleiten mich nun immer häufiger. Kleine Bergdörfer tupfen mit ihren Ziegeldächern rote Flecken in den graugrünen Waldhänge.

Col de Paracolls
Roc de Saint-Sauveur (links vorne) und Roc de Frausa (rechts hinten)

An der Moulin de la Palette muss ich mich mal wieder entscheiden, ob ich meine zu Hause ausgeguckte Variante, rechts rum über den Roc Saint-Sauveur, gehe oder GR10 / HRP linksrum folge. Nach einem Blick auf die Karte entscheide ich mich für die „offizielle“ Variante, weil ich dadurch den Aufstieg zum Col Cerda nordwestlich und damit im Schatten durchführen kann.

Als ich am Col Cerda ankomme, weiß ich, dass meine Entscheidung richtig war. Ich laufe in eine Wand aus brüllwarmer Luft. Genau hier wäre ich auf meiner Variante hoch gekommen. Zum Glück geht es von hier aus bald wieder in einen kühlen Buchenwald.

Schatten wird gerne genutzt – nicht nur von mir
Rückblick zum Pic de Canigou

Auf dem Roc de Frausa (1.450m und höchster Punkt für heute) sehe ich dann auch endlich das Mittelmeer, zwar im Dunst und noch weit weg, aber erkennbar. Noch 55 km zu laufen! Ich beende die heutige Etappe an einer zur Ermita de las Salinas gehörenden Quelle. Hier habe ich Wasser im Überfluss, granitene Sitzgarnituren und einen ebenen Zeltplatz!

Da hinten ist es, dass Mittelmeer!

Donnerstag, 28. Juli

Cafe und Pain au Chocolat – die Zivilisation rückt näher. Eineinhalb Stunden hinter meinem idyllischen Zeltplatz bin ich in Las Illas, einer kleinen Siedlung mit Hotel und Bar.

Las Illas

Gestern gab es übrigens ein Problem mit dem GPS. Ihr seht das, wenn Ihr Euch meinen Track von gestern anschaut (Ihr wisst ja, oben das „P“ im Kreis), da gibt es gleich zweimal einen langen Strich, weil mehrere Stunden lang kein Standort übermittelt wurde. Auch auf meinem Smartphone habe ich meine aktuelle Position nicht sehen können, was nicht weiter schlimm ist, weil ich ja nicht im Nebel unterwegs war. Die Anzeige der Offline-Karte ist davon glücklicherweise nicht betroffen.

Auch andere machen wieder Pause – aber immer im Schatten!

Die heutige von Forststraßen geprägte Etappe ist eher langweilig, bis ich nach dem Col del Priorat durch einen Korkeichenwald laufe. Viele Bäume sind im unteren Teil geschält. Trotz des menschlichen Eingriffs hat der Wald für mich etwas Magisches. Und dass hier die Grillen ohne Unterlass zirpen, versteht sich von selbst. Der Blick auf die grenzüberschreitende Autobahn bei le Perthus beendet dann allerdings die Magie.

Ende der Magie

Ich beschließe, in le Perthus schon Schluss für heute zu machen. Würde ich jetzt durchziehen, wäre ich morgen Abend in Banyuls. Aber da mein Zug erst am Sonntag fährt, reicht Samstag ankommen allemal. In dem Gîte, in dem ich übernachte, treffe ich Marc, einen Franzosen, dem ich auch schon auf dem Refuge Batère begegnet war. Marc wird am 1. August 60 und wollte aus diesem Anlass 60 Tage lang auf dem GR10 von Hendaye nach Banyuls laufen. Auch er steht kurz vor der Vollendung seines Projekts!

Le Perthus ist übrigens wirklich kein schöner Ort. Das zentrale Element ist die Hauptstraße, die gleichzeitig Shopping-Meile für Franzosen wie Spanier ist. Sie wird geprägt durch Boutiquen, Fast-Food-Restaurants, Souvenirläden und Shops, in denen man vor allem Alkohol kaufen kann – den Whisky in Super-Magnum-Flaschen bis zu 4,5 Litern! Das gesehen zu haben ist mir dann genug Zivilisation für heute.

Le Perthus
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Christa Reppel
Christa Reppel
1 Jahr zuvor

Der Zeltplatz im Wald und bei den GranitBänken und Tischen hat für mich auch etwas Magisches und ist eine Idylle, wenn man nicht an die endlos vielen Höhenmeter denkt, die du inzwischen zurückgelegt hast. Du beschreibst sie so locker nebenbei, als würden sie dir nichts mehr abverlangen… nach dem IntensivTraining. Echt enorm, wie du das so flott schaffst. Nun ist das Ende absehbar, die Autostrada zeigt das deutlich. Genieß die letzten Tage und freu dich über deine Leistung!!!