Der Morgen ist geruhsam. Nach ausgiebigem Schlaf verwöhnen mich die gebürtigen Emdener Hedwig und Edzard mit einem leckeren Frühstück in ihrer ostfriesischen Wohnstube, natürlich inkl. Ostfriesenrecht: drei Tassen Tee – mindestens. Kurz nach 10 kommt ein Reporter vom Wunstorfer Stadtanzeiger für ein kurzes Interview und ein paar Fotos vorbei. Dann fahren wir mit dem Zug zurück nach Hannover und in die Geschäftsstelle des AKHD, wo mir außer einem herzlichen Empfang noch eine freudige Überraschung zuteil wird: Hedwig ist Mitglied der Freimaurer-Damen der Loge „Licht und Wahrheit e.V.“ und überreicht mir nun in deren Namen einen Scheck über € 500,- für den DKHV! Ich bin völlig baff! Vielen, vielen Dank, liebe Hedwig!
Am frühen Nachmittag begleiten mich Heike, Marina und Silvia mit ihren Rädern bis zum Maschsee. Ab hier folge ich der Leine durch schattige Wälder auf schmalen, teils gepflasterten, teils naturbelassenen Wegen und bin dabei nahezu alleine unterwegs. Nur ab und zu sehe ich mal jemanden auf oder im Wasser. bei nach wie vor kräftigem Ostwind, der mich aber, nach Süden fahrend, nicht sonderlich stört, komme ich an den Koldinger Seen vorbei. Bis 2002 waren das Kiesgruben und Baggerseen. Mit deren Stillegung wurde das Gebiet renaturiert und so ein 529 Hektar großes Naturschutzgebiet mit 119 Hektar Wasserfläche in den Leineauen geschaffen. In den Büschen schwatzen Stare wild durcheinander, auf dem Wasser schreien Gänse dagegen an und am Himmel schwebt ein Rotmilan und beäugt die ganze Szenerie.
Ich fahre an der Nordspitze des Hildesheimer Waldes vorbei ins Niedersächsische Bergland hinein bis nach Elze, wo ich eine warme Nacht im Hotel verbringe.
Um 8:30 sitze ich bei angenehmen 24 Grad wieder im Sattel und fahre Richtung Gronau. Schnell bin ich wieder auf einsamen Feldwegen, auf denen ich außer Vogelgezwitscher und dem Knirschen meiner Reifen nichts höre. Vor mir einige graue Wolken, von denen ich nicht weiß, ob sie sich noch auflösen oder bereits vor dem Nachmittag die angekündigten Gewitter bringen. Trotz der niedrigeren Temperatur ist es schwül – ich schwitze. Vier Kilometer vor Alfeld kommt es feucht von oben, nur wenig immerhin. Zunächst! Aber dann wird es natürlich doch mehr, ich halte an, ziehe die Rainlegs über die Hose und die Regenhaube über den Helm. Das Trikot darf ruhig feucht werden – ist es ja ohnehin schon!
Nachdem ich den sich verstärkenden Regenschauer in einem Alfelder Café ausgesessen habe, treffe ich Tatjana und Hülya. Beide sind mit ihren drei Hunden und ihren „Wanderwagen“ unterwegs, die sie ähnlich einer Pulka hinter sich her ziehen. Tatjana, die übrigens Intensiv-Kinderkrankenschwester ist, ist auf diese Weise auch schon drei volle Monate durch Deutschland gelaufen, auch wenn es aktuell wohl nur ein paar Tage werden.
In Rittierode (muss man nicht kennen) mache ich Mittagspause. Kaum habe ich in meinen Müsliriegel gebissen, fährt hinter mir ein Trekker übers Feld und güllt den Acker. Puh, da schmeckt der Riegel gleich nochmal so gut!
Meine Trinkflaschen sind fast leer und so trifft es sich gut, als an der Straße eine kleine, gefasste Quelle, der „Hungerbrunnen“ auftaucht. Während ich meine Flaschen fülle, hält ein Wagen, aus dem ein Frau, wohl etwas jünger als ich, und ein älterer Mann aussteigen. Offenbar Tochter und Vater, wie sich später herausstellt. Sie zeigt sich sehr interessiert an der Arbeit des Kinderhospizvereins und an meiner Tour und ich gebe ihr gerne ein paar meiner Karten, auf denen sich neben den Tourdaten auch das Spendenkonto findet. Ich glaube, die landen nicht im Papierkorb!
Zwischen Salzderhelden und Northeim stoße ich auf Informationstafeln und einen Aussichtspunkt auf das Vogelschutzgebiet im Rahmen der „Geschiebesperre“, ein mit einem Schwimmbagger ausgehobenes 30 Meter tiefes Gewässer, das bei Hochwasser Kies und Sand – das sog. Geschiebe – aufnimmt, damit die sich nicht in den nördlich liegenden Poldern ablagern. Die Polder sind Teil eines 1.500 Hektar großen Feuchtgebietes und als EU-Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Viele der hier vorkommenden Singvögel, Störche und Watvögel sind Sommer-, andere Wintergäste, einige dauerhaft vertreten. Selbst Seeadler soll es hier geben. Schade, dass ich kein Fernglas dabei habe.
Von Northeim geht es ein Stück die B3 entlang, bevor mein Radweg nach Nörten-Hardenberg abbiegt, ein Straßendorf mit vielen Fachwerkhäusern, für die ich mich ja immer wieder begeistern kann! Feld- und Waldwege führen mich schließlich nach Göttingen, meinem heutigen Etappenziel, hinein.