Wie geht eigentlich trauern?

Dieser Beitrag hat ausnahmsweise mal nichts mit Rad oder Fuß zu tun, sondern nur mit Menschsein.

Die Menschen in meinem Umfeld reagieren ganz unterschiedlich auf den Tod meines Vaters: Die einen wollen mir den Leidensstempel aufdrücken, die anderen heben den Erlösungscharakter hervor, manche schweigen betreten, andere lassen mich nicht zu Wort kommen. Warum fragt eigentlich kaum jemand, wie es mir geht? Die Antworten würden wohl sehr unterschiedlich ausfallen, Trauer ist vielfältig:

  • Zorn: Als meine Mutter vor neun Jahren starb, gab es Momente, in denen ich mich gefragt habe, warum manche gebrechliche oder verbitterte alte Frau weiterleben darf während meine lebensfrohe Mutter sterben musste. Diese Mal hat es z. B. den Steinmetz getroffen, der tatsächlich ein Angebot für die „Grabstätte Müller“ verfasste. Ok, Meier, Müller, Schmitz – alles rheinischer Adel, aber in dieser Situation ist das für mich unverzeihlich.
  • Trauer: Trauer kommt in Wellen – anfangs sind sie stärker und hauen Dich um (auch Männer können weinen, und dürfen das auch), später verflachen sie und werden irgendwann von den schönen Erinnerungen überlagert werden. „Es wird alles wieder gut, aber nie mehr wie vorher“ ist der treffende Titel eines Buches über den Umgang mit Trauer – der eigenen wie der anderer.
  • Freude: Die Sonne wärmt meine Haut, die Mönchsgrasmücke zwitschert, weiße Wolken tupfen den blauen Himmel – solche Eindrücke sind plötzlich viel intensiver, weil sie nicht mehr normal sind, sondern besonders.
  • Erleichterung: Ja, natürlich auch Erleichterung. Erleichterung darüber, dass sein eigentlicher Leidensweg nur drei Monate dauerte. Auch Erleichterung darüber, dass er selbst in diesen drei Monaten seinen Witz und seine Freude über seine Lebenspartnerin nicht verloren hat. Erleichterung auch darüber, dass er sich von den Menschen, die er nicht so häufig sah, noch persönlich verabschieden konnte.
  • Selbstzweifel: Musste ich wirklich noch auf Radtour gehen? Hätte ich nicht absehen können, absehen müssen, dass der Zeitpunkt gekommen war und ich es nicht rechtzeitig zurück schaffen würde?

Trauer kommt in Wellen. Aber die schönen Erinnerungen auch. Und auf Dauer werden sie überwiegen!

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