Es ist scheißkalt heute morgen. Zum ersten mal auf dieser Tour ziehe ich noch den Fleece unter die Windjacke, auch wenn ich ihn am ersten Anstieg wohl wieder ausziehen werde.
Ich habe gestern schon mal versucht, für Fort William eine Unterkunft zu buchen. Aber dort scheint man die Lizenz zum Geld drucken erfunden zu haben. Was nicht schon ausgebucht ist, kostet ab £ 200,- aufwärts. Pro Nacht! Sorry, aber das bin ich nicht bereit zu zahlen. Wird wohl auf weitere Wildcamping-Nächte hinaus laufen.
Die Fähre bringt mich (und Werner und einen weiteren Reiseradler, der heute morgen von Brodick gekommen ist) nach Kintyre. Hier trennen sich unsere Werte auch schon wieder. Werner will nach Oban und auf die äußeren Hebriden, der „Neue“ nach Islay und ich nach Fort William und auf den Ben Nevis.
Kintyre ist grün: grüne Wiesen, grüne Wälder, dazwischen fliederfarbener Rhododendron und gelber Ginster, ab und an ein Haus. Wie erwartet ziehe ich den Fleece auf halber Höhe des Anstiegs aus. Auf der anderen Seite der Halbinsel wird es feucht. Irgendwas zwischen Wolken und leichtem Niesel. Jedenfalls zu wenig für die Regen Klamotten. Noch. Irgendwann hat der Regen dann ein Stadium erreicht, dass es zu wenig ist, die Regensachen anzuziehen, aber zuviel, um sie nicht bereits angezogen zu haben.
In Tarbert treffe ich Werner am Coop wieder, wo wir beide unsere Vorräte aufstocken. Weil es wirklich ungemütlich ist, gehen wir dann noch einen Kaffee trinken. Er beschreibt mir nochmal seine Route und als ich sehe, dass die auch mir sowohl Strecke als auch Höhe ersparen würde, beschließen wir spontan, den Tag gemeinsam zu fahren. Ich lasse Werner vorfahren und stelle überrascht fest, dass ich Aufstiege immer noch zu ambitioniert angehe, dabei meine ich mich zu bremsen. Werner geht sie noch geruhsamer an und das macht auch meinen Tag viel entspannter!
Über A- und B-Straßen, alle mit erträglichem Verkehr, fahren wir am West Loch Tarbert vorbei. Irgendwann hat sich das Wetter entschlossen, es mit dem Regen genug sein zu lassen und mal wieder die Sonne hervor zu holen. Herrlich, wie die Landschaft in regensatten Farben aufleuchtet!
Dann fahren wir über eine ausgedehnte Ebene zu einem prähistorischen Monument. Spontan halten wir an. Wir sind im Kilmartin Glen, wo bronzezeitlicher Astrologen ein X-förmiges Steinmonument errichteten, dass dem Mondauf- und -untergang folgt. So eine megalithische Formation habe ich noch nie gesehen!
Am Abend sind wir am Yachthafen von Kilmelford, wo wir unsere Zelte aufstellen, am – zumindest gemeinsam mit Glen Rosa – schönsten Schlafplatz dieser Tour.
Time: 24.5.2023, 10:13: |
Duration: 08:16:41 |
Ascent/Descent: 882 m 875 m
| Distance: 84.52 km |
Hallo Thomas, jetzt versetzt du mich alle zwei, drei Tage mental auf die britische Insel. Das ist schön. Danke! In meinen Roaring Twenties war ich öfter allein in der Ägäis unterwegs; IslandHopping nannte man das. Allein unterwegs zu sein, hat eine ganz eigene Qualität. Du bist auch allein unterwegs (heute ist die Ausnahme), doch indem du bloggst, teilst du dich denen mit, die du kennst und erfährst deren Reaktionen auf deine Erlebnisse. Darüber hinaus wirfst du auch für eine unbekannte Öffentlichkeit eine digitale Flaschenpost in den Cyberspace. Also allein und doch nicht allein. Das hat auch seine eigene Qualität. So… Weiterlesen »
Hi Ralf, danke für Deine Zeilen. Auf dem Einrad ist LEJOG übrigens auch schon absolviert worden. Du weißt ja: die Briten sind für jede verrückte Idee zu haben, insbesondere, wenn es vorher noch niemand gemacht hat!
Und was das Alleine unterwegs sein angeht – auch im Vergleich zum gemeinsam reisen – habe ich 2018 in meinem Fazit zum Eurovelo 9 mal beleuchtet: EV9 – Fazit Es hat halt alles seine Vor-, aber auch seine Nachteile!