Mo, 6.9.
Den ersten Teil des Tages verbringe ich allein im Buchenwald. Aber dann! Offenbar war es nicht mit 25 Minuten Pilgerweg gestern getan. Auf einmal begegnen mir in einer halben Stunde mehr Leute als in den vorherigen vier Tagen. Und laufend werde ich mit „Buen Camino“ gegrüßt! Offenbar befinde ich mich auf dem Teilstück von St. Jean-Pied-de-Port nach Roncesvalles, wenn auch in umgekehrter Richtung. Selbst zwei Radfahrer auf Ebikes kommen mir entgegen.
Ab der Rolandsquelle, wo ich meine Wasserflaschen nachfülle, bin ich aber wieder alleine. Anfangs noch auf einsamen Wiesenhänge, dann leider auf heißen Teerstraßen, bis der Weg – kaum erkennbar – in ein kleines Tal abzweigt und zu einer Brücke über einen Bach führt, an der ich mal wieder die Belgier treffe, jetzt nur noch zu dritt – Jerrys fünf Tage sind bereits vorbei.
Nach einem erfrischenden Bad steige ich in der Nachmittagshitze weiter durch steile Grashänge, bis ich in Egergui mein heutiges Etappenziel erreiche und mein Zelt an einem Bach aufschlage, den ich mir allerdings mit Kühen teile – Wasser filtern ist obligatorisch!
Di, 7.9.
Da es übermorgen gewittern soll, will ich heute schon auf direktem Wege über den Pic d’Orhy, den ersten 2.000er der Tour. In der Hoffnung, der Hitze zu entgehen, bin ich um 6:30 aufgestanden. Trotzdem dauert es bis 8:00, bis ich wegkomme. Allerdings ist es bewölkt, dafür aber sehr stürmisch!
Teils weglos steige ich bis zum Col d’Oraté auf, wobei ich Bartgeier und Milane sehe. Faszinierend, wie die mit dem Wind, der eher ein Sturm ist, spielen. Die stehen in der Luft, als wäre das nichts, kreisen in aller Ruhe.
Blöderweise gibt es die angekündigte Wasserstelle in einem kleinen Waldstück nicht, die ist möglicherweise den aktuellen Waldarbeiten zum Opfer gefallen. Am Col bekomme ich aber von einer netten Französin, die hier mit Kindern und Hund im Wohnmobil campiert, Wasser zum Auffüllen meiner Flaschen.
Trotzdem muss ich hier schweren Herzens meinen Plan ändern. Auf dem Grat des Pic d’Orhy würde ich heute wegfliegen, nur nicht so elegant wie die Geier. Also weiche ich auf den Gr10 aus, über den hier auch die HRP verläuft. Der Weg ist, euphemistisch gesagt, unattraktiv. Parallele Geröllrinnen schlagen eine breite Schneise durch Heide und Wälder.
Der Col Bagargui / Iraty ist ein großer Ferienkomplex mit Chalets und Einkaufscenter. Immerhin kann ich hier Kekse und Schokolade kaufen und bekomme ein Bett in einem Gites d’Etappe, so ’ner Art unbewirtschafteter Hütte mit Sanitäreinrichtungen und Gemeinschaftsküche, wenn auch nur für eine Nacht. Zwei wären mir eigentlich lieber gewesen, denn seit drei Tagen spüre ich schon meine rechte Ferse, offenbar die Achillessehne. Und das mittlerweile so heftig, dass mir der Gedanke an’s Abbrechen kommt. Dehnen und eine Ibuprofen drängen den Gedanken wieder etwas zurück, aber definitiv entspricht dieser Tag nicht meinen Vorstellungen!
Lieber Tom, was für ein wilder Landstrich, auf den du dich da eingelassen hast! Und das bei ständig wechselnder Wetterlage. Die Ausmaße deiner Strapazen kann ich dabei nur erahnen. Umso erstaunlicher wirken deine Selfies in scheinbar „tiefenentspanntem“ Zustand auf mich. Das Leid mit der Achillessehne ist bitter. Habe selbst lange damit zu tun gehabt. Empfehle zum Schutz zu tapen, was man aber an der Stelle leider nicht selber hinbekommt und auf fremde Hilfe angewiesen ist.
Alle guten Wünsche
Hans
Naja, das mag schon strapaziös sein, aber wenn es nicht auch Spaß machen würde, würde ich es bestimmt machen ☺
Und was die Landschaft anlangt: die wird hoffentlich noch wilder!
Bei der Blume, die du nicht kanntest, handelt es sich um Eisenhut (Gattung Aconitum, die genaue Art weiß ich aber auch nicht). Wikipedia kann dir mehr sagen. Zitat: „Die Eisenhut-Arten zählen zu den giftigsten Pflanzen Europas“. Bei meinen Eltern im Garten stand Blauer Eisenhut. Sehr schöne Gartenstaude. Das war wahrscheinlich die erste Pflanze, deren Namen ich als kleines Kind gelernt habe, weil mir eingeschärft wurde, ich dürfe sie nicht anfassen, sie sei furchtbar giftig. Vermutlich habe ich das Konzept „giftig“ an dieser Pflanze gelernt. Danach hatte ich Angst vor allen mir nicht bekannten Pflanzen, weil ich dachte, die seien vielleicht… Weiterlesen »
Wahrscheinlich ist das Blauer Eisenhut. Das Verbreitungsgebiet reicht von der Ukraine bis Portugal.
Danke Andreas, für die Recherche. Hätte ich eigentlich auch selber kennen sollen. Mein Botaniker-Freund Leo würd bestimmt mit mit schimpfen!
Oh nein, das darf nicht wahr sein, die Achilles Sehne, so ein Pech! Ich wünsche dir, dass sie sich beruhigt! In diesem Sinne : gute Besserung!
Christa
Vielen Dank, Liebe Christa, für deine guten wünsche. Aber noch geht der Fortsetzungsroman weiter – wenn auch knapp 😉