Eigentlich habe ich es nicht mehr weit. Ich habe wohl die restliche Strecke überschätzt und mein Flieger geht erst am Donnerstag ab Pula. Insofern habe ich noch viel Zeit. Und die nehme ich mir am Morgen, damit die Sonne eine Chance hat, die feuchte Nacht vom Zelt zu nehmen, bevor ich es einpacke. Einige Kilometer später stehe ich an der Karstkante bei Črni Kal und kann das Meer sehen! Das zweite meiner Reise! Rasant geht es von hier hinunter, der Küste entgegen. Aber auch der Wind kommt mir jetzt entgegen und er schmeckt – oder bilde ich mir das nur ein? – ein bisschen salzig.
Unterwegs treffe ich immer mal die beiden Weißrussen wieder, die gestern noch im Dunkeln auf dem Zeltplatz ankamen und von Tschechien nach Kroatien unterwegs sind, ebenfalls mit den Rädern. Mal überhole ich sie, mal sie mich. Und immer wechseln wir ein paar kurze Worte auf Englisch. Als ich gerade mal wieder eine Fotopause mache, bleiben sie stehen und schenken mir eine Postkarte aus Minsk mit einer persönlichen Widmung als Erinnerung an unsere Begegnung! Andrei und Nicolas: ich würde mich freuen, Euch mal wiederzusehen, ich glaube, wir hätten noch viel zu erzählen!
Mittlerweile habe ich die Parenzana erreicht, eine ehemalige Eisenbahnstrecke von Triest nach Poreč (auf italienisch: Parenza). Und die hat zumindest hier eine Qualität, wie ich sie auf dem ganzen EV 9 noch nicht vorgefunden habe: Bestens markiert, asphaltiert und autofrei. Nur die kleinen Mopeds, die auf diesem offiziell Radfahrern und Fußgängern vorbehaltenen Weg ebenfalls unterwegs sind, nerven. Neben dem Krach hinterlassen sie noch den Gestank ihres Zweitaktgemischs, und der hält sich besonders in Einschnitten und den beiden Tunnels, die später noch folgen hartnäckig. Da ist von frischer Meeresbrise keine Spur mehr!
Und dann: Koper. Schmale Gassen, bröckelnder Putz, dazwischen immer wieder frisch gestrichene Häuser, Palmen. Es riecht nach Meer und gebratenem Fisch. Für die Schönheiten der Piazza, den Prätorenpalast, das Zeughaus oder den Dom mit seinem Glockenturm, habe ich noch keinen Blick. Ich will erst einmal ans Meer. Und hier mache ich eine lange Mittagspause bevor ich mir die Piazza in Ruhe anschaue.
An der Küste entlang sowie durch Weinfelder, Apfelplantagen und Bambushaine fahre ich weiter bis Lucija, wo es einen Campingplatz direkt an meinem Weg gibt. Und dann die ganz normale Routine: Zelt aufbauen, Duschen, … ? Duschen? Moment, ich bin am Meer! Also gehe ich zunächst an den Strand. Ich schwimme ein paar Züge hinaus aufs Meer, drehe mich auf den Rücken, schließe die Augen und lasse mich von der septemberwarmen Geborgenheit der Adria einhüllen. Und ich fühle, ich bin angekommen. Eigentlich ist meine Reise hier zu Ende. Vor viereinhalb Wochen habe ich der Ostsee den Rücken gekehrt und bin einmal längs durch Mitteleuropa und zu dessen südlichem Meer geradelt. Von Küste zu Küste. Was kann jetzt noch kommen?
Morgen fahre ich nach Kroatien hinüber, denn der Eurovelo 9, von dem ich in Slowenien nichts mehr gesehen habe, endet offiziell in Pula. Außerdem freue ich mich darauf, ein paar Erinnerungen an den Kroatien-Urlaub von 2011 aufzufrischen, der damals in Istrien begann. Heute bleibt die Campingküche übrigens kalt. Zur Feier des Tages gehe ich in ein Fischrestaurant und lasse mir bei einem Glas Wein gegrillte Tintenfische mit Mangold-Kartoffeln schmecken!
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Selbst beim Lesen ein Gänsehautmoment, wenn Du nach den vielen Tagen die Adria erblickst… 🙂