HRP – Fazit

Nun, da ich bereits seit ein paar Tagen wieder zu Hause bin, haben sich meine Gedanken soweit sortiert, dass es Zeit wird für ein Fazit meiner Pyrenäen-Überquerung.

Wie war es denn so?

Zunächst einmal: Die Tour war großartig. Und sie war anstrengend. Ich habe geschwitzt und (selten) gefroren. Es war einsam und es war erhebend. Und sie hat mich zeitweise physisch und ein-, zweimal auch mental an meine Grenzen geführt. Obwohl ich eher wenige Menschen getroffen habe, waren auch dieses Jahr wieder Begegnungen mit sehr interessanten und fasziniernden Menschen dabei. Aus einigen Kontakten hätte mehr werden können, wenn die große räumliche Distanz nicht wäre.

Tatsächlich weist das Unterwegssein in den Pyrenäen, zumindest auf der Haute Randonée Pyrénéenne deutliche Unterschiede zu dem in den Alpen auf. In den Alpen sind nahezu alle Gebiete von den Alpenvereinen erschlossen worden. Soll heißen: Wege wurden bewusst gebaut und zwar so, dass sie gut gehbar sind: nicht zu steil, mit vielen Serpentinen und größere Hindernisse wurden möglichst aus dem Weg geräumt, mindestens aber umgangen. Selbst größere Blockfelder wurden trassiert, indem z. T. mit Schreitbaggern kleine und große Blöcke so umgelagert wurden, das manche Wege durch Blockfelder fast wie gepflastert wirken. Außerdem haben die Alpenvereine so viele Hütten gebaut, das die Gehzeit zwischen zweien davon meist nicht mehr als vier bis fünf Stunden beträgt.

Außer in wenigen touristischen Hotspots sind die meisten Wege, auf denen die HRP verläuft, nicht gebaut worden, sondern gewachsen. Und da war offenbar meistens die kürzeste Entfernung der Maßstab der Wahl. Kehren sind die Ausnahme und wenn vorhanden, dann schlicht deshalb, weil man ohne auch aufwärts nur noch abwärts rutschen würde. Durch die Steilheit sind viele Wege erodiert. Tiefe Furchen voller Geröll und hohe Stufen erschweren das Gehen zusätzlich. Der Durchgang durch Blockfelder ist selten markiert, immerhin finden sich meistens (wenn auch beileibe nicht immer) Steinmännchen. Bewirtschaftete Hütten sind rar und liegen dann oft sieben bis acht Wegstunden auseinander; auf der neuntägigen Strecke zwischen Salardú und L’Hospitalet-près-l’Andorre gibt es gar nur drei bewirtschaftete Hütten. Es gibt immerhin auch einige unbewirtschaftete, die sind aber häufig in einem Zustand, dass ich lieber im Zelt schlafe.

Soviele Seen!

Und was war dieses Jahr anders?

Man könnte auch fragen: Warum hat es dieses Jahr geklappt und letztes nicht? Da sehe ich tatsächlich mehrere Gründe:

Das Wetter

Klar, es war heiß und dadurch anstrengend. Genügend Wasservorrat und das Wissen um die nächste „Tankstelle“ waren elementar wichtig, um nicht unterwegs „liegenzubleiben“. Aber: In den ganzen vier Wochen gab es lediglich einen Regentag und eine kalte und stürmische Nacht. Und für die Psyche macht es einen Riesen-Unterschied, ob es den ganzen Tag regnet und man nur sichtlos durch Wolken läuft oder ob den ganzen Tag die Sonne scheint und die Umgebung zur Besichtigung freigibt!

Die Ernährung

Im letzten Jahr habe ich eindeutig zu wenig zu Essen mitgenommen. Natürlich wollte ich auch Gewicht sparen, aber das war die falsche Stelle! In diesem Jahr habe ich viel mehr (und ich meine viel mehr) gegessen und trotzdem fast fünf Kilo abgenommen: Soviele Kalorien, wie man auf so einer Tour verbraucht, kann man kaum wieder auffüllen!

Der Rucksack

Der Rucksack war eine der Ausrüstungs-Änderungen in diesem Jahr. Und das hat sich voll bewährt! Mit dem Osprey konnte ich das Gewicht viel besser auf die Hüften legen als ich das mit dem Deuter je konnte. Auch liegt der Rucksack im oberen Teil näher am Rücken, während mich das Gewicht im letzten Jahr immer leicht nach hinten gezogen hat. Gleichzeitig lässt er aber auch Luft an den Rücken, wodurch das Schwitzen dort deutlich reduziert wird.

Das Kopfkissen

Nachdem in der ersten Nacht vermutlich ein Marder auf dem Weg zu meiner Salami nicht nur ein großes Loch ins Zelt gerissen, sondern auch meine neue Leichtluftmatratze geplättet hatte, hatte ich einige Bedenken bzgl. der Zeltnächte und meiner Erholung im Schlaf. Denn ich hatte bei der neuen Matte für mehr Schlafkomfort ja sogar ein Mehrgewicht gegenüber der Vorjahres-Matte in Kauf genommen. Was ich dann in Gavarnie bekam, war zwar wieder leichter, hatte aber nur noch sechs (statt zehn) Zentimeter Dicke. Trotzdem habe ich in den meisten Nächten gut geschlafen. Denn eine weitere Änderung gegenüber 2021 war ein kleines aufblasbares Kopfkissen. Und das hat für mich als Seitschläfer offenbar einen viel größeren Einfluss auf die nächtliche Erholung als die Mattendicke.

Blick aus dem Zelt auf den abendlichen Pic d’Aneto

Würde ich die Tour noch einmal gehen?

Ganz abgesehen davon, dass es soviele Gegenden zu erkunden gibt und ich deshalb meine Urlaube extremst selten zweimal am selben Ort verbringe, würde ich die Tour tatsächlich nicht noch einmal gehen, zumindest nicht alleine. Über die grundsätzlichen Unterschiede zwischen alleine und mit einem Partner reisen habe ich mich 2018 im Fazit zum Eurovelo 9 schon ausgelassen. An der Betrachtung hat sich nichts geändert. Allerdings ist die Begehung solch herausfordernder Routen wie der HRP meines Erachtens durchaus riskanter als Solo-Radtouren, die mich bisher immer durch mehr oder wenige besiedelte Gebiete geführt haben. Übrigens habe ich von vielen erfahrenen Weitwanderern, die außer der HRP auch schon die großen amerikanischen Trails, wie Pacific Crest, Continental Divide oder Appalachian Trail gelaufen sind, gehört, dass keine dieser, z. T. mehrere Tausend Kilometer langen Routen an die technischen Schwierigkeiten der HRP herankommt.

Was wäre noch zu sagen?

Ich habe wieder viele Kommentare bekommen, teils direkt im Blog, teils privat per WhatsApp oder Email. Auch wenn ich längst nicht alle beantwortet habe, habe ich mich über jeden einzelnen davon gefreut! Und mehr noch: Jeder Kommentar hat mir das Gefühl gegeben, eben doch nicht ganz alleine zu laufen, sondern von Euch begleitet zu werden. Dadurch, dass Ihr – wenn auch virtuell – an meiner Tour teilgenommen habt, habt Ihr mir auch die mentale Stärke gegeben, mein selbstgestecktes Ziel zu erreichen! Und dafür danke ich Euch!

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Christa+Reppel
Christa+Reppel
1 Jahr zuvor

Ja, lieber Thomas, und ich danke dir!
Du hast mich an deiner Herausforderung teilnehmen lassen, es war jeedesmal spannend, deine Einträge zu lesen. Ich ziehe noch einmal meinen Hut vor dir, seit ich jetzt weiß, dass Appalachian Trail und Pacific Crest technisch erheblich weniger anspruchsvoll sind als die HRP. Du hast also allen Grund, stolz auf deine Begehung zu sein, so ein hartes Abenteuer, das schaffen nur wenige!
Ich bin gespannt, was als nächstes kommt,und freue mich drauf. Jetzt dir erstmal gute Erholung und Entspannung in der Bonner Hitzeblase!