Rauchender Berg: Am Etna

Eigentlich heißt dieser Blog ja „Rad und Fuß“. Zu Fuß waren wir zunächst auch unterwegs, sind dann allerdings auf 4×4 Räder umgestiegen. Anders hat man keine Chance, dem Etna möglichst nahe zu kommen. Aber der Reihe nach:

Der Etna bei der Auffahrt zum Piano Provenzana

Der Etna soll nach dem Stromboli der zweite aktive Vulkan sein, den wir in unserem Sizilien-Urlaub besuchen wollen. Luca, unser Vulkan-Guide vom Stromboli, hatte uns gesagt, dass der Etna gerade mal wieder aktiv ist und deshalb alle Bergführer ihre Touren auf die Nordseite umstellen, wo der Ausbruch am besten zu sehen ist. Warum überhaupt Bergführer? Wer mich kennt, weiß, dass geführte (und bezahlte) Touren so gar nicht mein Ding sind. An den Vulkanen sind Individualtouristen allerdings nur in den unteren Regionen geduldet. Will man höher hinauf und näher heran, geht das nur mit einem professionellen Vulkan-Guide. Was einerseits nach einem guten Geschäftsmodell aussieht, hat andererseits aber auch einen unübersehbaren Sicherheitsaspekt: Die Führer sind oft täglich auf dem Berg, kennen jedes Rumoren, die aktuellen Windverhältnisse und sind bestens vernetzt mit den vulkanologischen Beobachtungsstationen.

Schon von Weitem sehen wir eine große Rauchfahne über dem höchsten Vulkan Italiens. Wir fahren auf das Piano Provenzana, wo wir unser Mietauto gebührenpflichtig parken. Es gibt keine Parkschranke und auch keinen Ticketautomaten. Stattdessen fährt jemand mit einem Motorroller die beiden Parkplätze ab und stellt die Parkscheine aus. Wenn der „Herr des Parkens“ gerade auf dem anderen Parkplatz unterwegs ist und man das Procedere nicht kennt, hat man bei seiner Rückkehr eine Knolle am Auto. Gut, dass wir gefragt haben!

Der Parkplatz liegt inmitten eines Lavastroms, der sich 2002 hier ergossen hat. Wir sind also direkt drin in der Vulkanladschaft, als wir Richtung Monte Nero loslaufen. Bald schon stoßen wir auf die Reste eines Hotels, dass dem Ausbruch von 2002 zum Opfer gefallen ist. Und zwar gleich doppelt, wie uns am Abend Daniele, unser Guide für die „Sunset-Tour“ auf den Etna erklärt: Bei dem Erdbeben, das den Ausbruch ankündigte, brach es zusammen, kurz darauf wurde es dann vom Lavastrom zerlegt – zum Glück gab es keine Toten! Wir laufen noch ein gutes Stück höher, wo wir einen schönen Blick auf den Berg und seine Rauchsäule haben und warten den Nachmittag ab.

Am Abend begüßt uns dann Daniele am Parkplatz. Für alle Fälle hat er noch einige dicke Parkas im Auto, denn nach Sonnenuntergang wird es in 2.800m Höhe – so hoch soll die Tour gehen – empfindlich kalt. Wir steigen in einen 11-sitzigen Allrad-Bus und fahren über eine nach 2002 neu angelegt Piste bis zum Ort der Entstehung des Ausbruchs von 2002. Dabei handelt es sich nicht um einen einzelnen Krater, sondern um eine ganze Reihe von sog. Lateralkratern, die sich auf einer nördlich ziehenden Verwerfung im Gefüge des Schildvulkans gebildet hatten. Die erste Eruption erfolgte am 26. Oktober in ca. 2.600m Höhe. Dabei wurde gasdurchsetztes, aufgeschäumtes Magma ausgeworfen: enorme Mengen Aschen, Tuffe und Lapilli entstanden, die die umliegenden Felder bedeckten und den Flugverkehr in Catania zum Erliegen brachten. Nachdem sich der Vulkan an einer Stelle „freigeschossen“ hatte, verstopfte der Schlot recht schnell wieder und das Gas suchte sich eine neue Schwachstelle im Vulkangefüge. Sukzessive wanderten so die Ausbruchsstellen von 2.600 bis auf 2.000m hinunter. Auf diese Weise wurden innerhlb weniger Tage 20 Krater gebildet. Dann folgte die effusive Phase: nun strömte flüssiges Magma aus, floss kilometerweit Richtung Tal und stoppte erst fünf Kilometer vor Linguaglossa, Danieles Heimatort.

Nächste Haltestelle: Osservatorio di Pizzi Deneri. Hier sind wir auf gut 2.800m Höhe. Der Gipfel des Etna, seine Eruptionen und die abfließende Lava scheinen zum Greifen nahe, obwohl sie noch einen Kilometer entfernt sind. Alle paar Sekunden schießt eine Fontäne aus Lava, Aschen und vulkanischen Bomben in die Höhe und verteilt sich auf dem darunter liegenden Hang. Drei Sekunden später erst hören wir einen Knall, mitunter gefolgt von einem rauschendes Zischen. Ich baue Kamera und Stativ auf und schieße im Laufe des Abends über 200 Fotos. Das Schauspiel ist einfach zu fesselnd. Fast habe ich Angst, die beste Szene zu verpassen, aber mit zunehmender Dunkelheit wird das Schauspiel immer spektakulärer. Bei dem Gedanken, dass das flüssige Gestein, das dort mit einer Temperatur von rund 1.200° C herausspritzt und vor nicht allzu langer Zeit noch im Erdmantel schwamm, lacht das alte Geologenherz und ist gleichzeitig demütig und beeindruckt. Nur scheinbar schützt die Erdkruste, die gegenüber den in wenigen Kilometern Tiefe vorherrschenden Drücken und Temperaturen in Wahrheit eine bessere Eierschale darstellt, Flora und Fauna vor der zerstörenden Kraft des Erdinnern. Stunden später, wie mir scheint, bläst Daniele zum Aufbruch. Eigentlich will ich noch gar nicht weg, andererseits bin ich froh über die Ankündigung, denn trotz mehrerer Lagen ist mir mittlerweile reichlich kalt. Was bleibt, ist die Erinnerung an ein unvergessliches Naturschauspiel. Dass ich dafür zahlen musste und nicht aus eigener Kraft dahin gelangen durfte: geschenkt!

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Viktor
1 Jahr zuvor

Das ein solches Erlebnis dein „altes Geologenherz“ beglückt, kann ich mir leicht vorstellen. Selbst mir als „Amateur“ geht es beim hautnahen Fühlen der Kräfte aus dem Erdinneren jedesmal genauso: Faszination, Gänsehaut und Respekt vor der Natur. Und dabei waren es damals „nur“ ein friedlich rauchender Berg. Deine Bilder haben auch die Erinnerung an die (nur scheinbar) leblose Mondlandschaft wieder aufgefrischt. Inmitten der kilometerweiten Lapili-Landschaft keimt hin und wieder kleinstes Grün und damals wärmten sich hunderte Marienkäfer auf den sonnenwarmen dunklen Kügelchen – Wunderwelt Vulkan!