Durch Siziliens „Grand Canyon“

Cava Grande del Cassibile

Auf dem Weg von Siracusa zum Startpunkt unserer Tour wundere ich mich über die vielen Serpentinen, über die sich die Straße immer höher hinauf schraubt. Aber eigentlich ist es nur logisch: Wenn man auf Meeresniveau losfährt, weil man eine Schlucht abwärts laufen will, muss der Ausgangspunkt zweifellos oben liegen. Nach kurvenreicher Fahrt kommen wir jedenfalls oberhalb von Avola am Parkplatz „Cava Grande“ an.

Ein erster Einblick in die Schlucht ist bereits beeindruckend. Steile Kalkwände, immer wieder durchbrochen von genauso steilen Wiesen, Strauchvegetation und gelben Höhlen leiten den Blick in die Tiefe, wo der Cassibile sich grün durch das Tal schlängelt, das er im Laufe der Jahrmillionen eingerissen hat. Wir kehren der Schlucht aber erst einmal den Rücken zu und laufen in kilometerweitem Bogen zum weit oberhalb gelegenen Einstiegspunkt. Das ist ein bisschen lästig, weil zunächst asphaltiert, aber dafür wachsen immer wieder Thymian, Salbei, Borretsch und Minze wild am Straßenrand und sorgen für kleine olfaktorische Genüsse.

Auf dem Weg zur Schlucht

Nach einem Bauernhof steigen wir auf eine Hochebene an und stehen bald an der Abbruchkante der Schlucht. Von hier geht es in steilen Serpentinen hinunter, bis wir uns unten in einem grünen Dschungel wiederfinden. Pfiff oben noch ein kalter Wind (ja auch auf Sizilien kann es Anfang Mai nur 15 Grad haben!), ist es hier unten deutlich wärmer und sogar ein bisschen schwül. So eine Schlucht hat eben ein sehr eigenes Klima.

Immer auf der rechten Seite und etwas oberhalb des nur wenige Meter breiten Flusses laufen wir, bis wir auf ein Sinterbecken treffen, an dem wohl auch ein Teil des Wassers im Untergrund versickert. Ein idealer Rastplatz, um unsere morgens in der Panificio erstandene Foccacia zu verspeisen. In allen Grün-Schattierungen zeigt sich hier das Wasser, je nach Tiefe des Beckens, dabei so klar, dass wir auch Fische und Kaulquappen sehen, über die Wasserläufer hinweglaufen, als wäre es absolut selbstverständlich, dass man im Wasser nicht versinken kann.


An den Sinterbecken
Zufluss auf die Kalkterrassen

Wir laufen weiter und kommen zu einer nieder getretenen Absperrung von 2020. Dahinter wird der Weg deutlich schmaler und überwachsener, aber weiterhin gut erkennbar. Mal durch dichtes Buschwerk, mal horizontal auf schmalen Bändern durch senkrechte Felswände gelangen wir schließlich zu dem Weg, der uns wieder hoch zum Ausgangspunkt unserer Tour, dem Parkplatz „Cava Grande“ führt. Auf der anderen Talseite sehen wir eine riesige gelbe Grotte mit sichtbar von Menschen aus dem Fels geschlagenen Höhlen, bei denen es sich um alte Begräbnisstätten handelt.

Der Zugang zum Parkplatz ist übrigens mit einem Tor versperrt. Und das offiziell schon seit 2014 wegen der Gefahr von Steinschlag nach einem großen Brand. Beliebt ist der Weg von hier aus in die Schlucht trotzdem und das Problem der Sperrung ist sizilianisch gelöst: Zwei Obstkisten auf jeder Seite erleichtern das Überklettern des versperrten Tores!

Sizilianische Lösung: offiziell gesperrt, inoffiziell begehbar
Wolken drücken in den Ausgang der Schlucht
Kommentare abonnieren?
Benachrichtige mich bei
guest
2 Kommentare
neueste
älteste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen
Viktor
1 Jahr zuvor

Ganz herrlich, diese Wasserläufe, Fälle und Gumpen. Erinnert mich enorm an den Epirus.
Viel Spaß noch & LG
Viktor