Hunsrück

Kornkammer, Schiefer und Wälder

Von der Mosel aus gibt es keine Radroute auf den Hunsrück – die verlaufen eher längs und nicht quer darüber. Also nehme ich die L158. Vorteil: durch Serpentinen entschärfte, gleichmäßige Steigung. Nachteil: einige Lastzüge. Insgesamt hält sich der Verkehr aber in Grenzen. Das ändert sich, als ich auf die B50 komme, die ich aber schon nach ein paar Kilometern wieder verlasse.

Und dann wird’s richtig schön! Kleine Straßen führen mich durch Roggen-, Hafer-, Gerste- und Weizenfelder mit randlichen Kornblumen, unterbrochen von bienenfreundlichen Blütenfelder, kleinen Wäldern und abgemähten Wiesen mit dekorativ verteilten Heuballen. Wederath, Götzeroth – nie gehört? Ich auch nicht. Aber das ist Hunsrück at it’s best!

„… dazwischen Teer“ – naja, man arbeitet dran!
Bis in die 1950er-Jahre wurde im Hunsrück Schiefer abgebaut. Damit kann man einfach Dächer belegen – oder Kunst am Bau betreiben!

Bauer Plath

Mit 14 oder 15 Jahren habe ich mal eine Schallplatte bei einem Preisausschreiben meiner Lieblings-Musikzeitschrift (nein, es war nicht die Bravo!) gewonnen. Sie hieß Bauer Plath und wurde 1972 von dem Liedermacher-Duo Witthüser & Westrupp aufgenommen. Und obwohl bei meinen Klassenkameraden zu der Zeit eigentlich eher Hard Rock angesagt war (ok, es gabe auch die T.Rex- und Sweet-Fraktion), gefiel mir die Platte immer mehr, je häufiger ich sie hörte. Die zwei Musiker hatten mehrere Jahre bei den Plaths in Dill zur Miete gewohnt, auf dem Bauernhof ausgeholfen und Musik gemacht. Näheres kann man auf der sehr informativen Homepage von Walter Westrupp nachlesen, speziell im Kapitel Online-Buch 68er nach Noten -> Dill-Hunsrück.

Jedenfalls war ein Abstecher nach Dill fest eingeplant. Erste Überraschung: ein richtig nettes Dorf, das sich um eine Burg auf einem kleinen Berg gruppiert. Da ich den Ortsbürgermeister nicht antreffe, spreche ich ein altes Ehepaar an, das gerade den Hof auskehrt, ob sie den alten Bauer Plath noch kennen. Offensichtlich erfreut lassen sie sich ein Gespräch aufdrängen. Ich erfahre, dass der Werner (Plath) schon lange tot ist, dass sich die Alten „natürlich“ noch an den Bernd (Witthüser) und den Walter (Westrupp) erinnern und dass es eine schöne Zeit gewesen sei. Ach, dieses schwelgen in Erinnerungen! 🙂 Auch einige Geschichten erfahre ich über Dill, den Ort, in den man zwar hinein-, aber nicht mehr herausfand, weil die Straße immer im Kreis um den kleinen Burgberg herumgeht. Auch bei Werner Plaths Tochter schaue ich vorbei, die immer noch im Dorf lebt und ab und an Kontakt mit Walter Westrupp hat (Bernd Witthüser ist 2017 gestorben). Sie zeigt mir auch, wo das Haus steht, in dem die zwei damals gelebt haben. Mit einem Besuch an Werner Plaths Grab runde ich meinen Dill-Besuch ab.

Das Haus des Ortsbürgermeisters
Das Plumpsklo an Plaths altem Hof ist nicht mehr in Betrieb

Und dann will ich als Remineszenz an Witthüser & Westrupp noch eines ihrer Lieder in dem Umfeld spielen, in dem sie es geschrieben haben. Zu dem Zweck habe ich extra meine (zerlegbare) Reisegitarre mitgenommen. In der Nähe gibt es einen nachgebauten Römerturm – eine schöne Kulisse. Und dann passiert mir ein blödes Missgeschick: beim Zusammenbau verkannte ich, ohne es zu merken, die Metallstifte im Steg und beim Spannen des Halses bricht der Steg aus! So ein Mist!

Was für ein Malheur!
Dabei war das Umfeld recht attraktiv.

Jetzt, wo ich diesen Beitrag schreibe, bin ich schon bei Leo in der Pfalz und Leo hat zum Glück auch eine Gitarre. Deshalb hier jetzt und in einem anderen Setting doch noch meine (unvollkommene) Ehrerweisung an ein wunderbares Folk-Duo:

Zu den Jahreszeiten

Hinter Dill geht es ständig rauf und runter – immerhin mehr runter als rauf. Idyllisch wird es, als ich auf kleinen Straßen durch das Kyrbachtal fahre und anschließend auf den Saar-Hunsrück-Steig abbiege. Das ist jetzt zwar eigentlich ein Wanderweg, der aber schön durchs Hahnenbachtal verläuft, was mir lieber ist, als auf Straßen drum herum zu fahren. Die Quittung für meinen Übermut bekomme ich in Form einer Furt und später durch schmale, steile und von Wurzeln und Felsen durchsetzte Passagen. Wanderweg eben! Dafür finde ich einen wunderschönen Übernachtungsplatz auf dem Kopf einer ehemaligen Schieferhalde, die von 14 Stunden Sonnenschein noch aufgewärmt ist – Fußbodenheizung! Talblick ist auch inklusive!

Furt auf dem Saar-Hunsrück-Steig

Mit Einsetzen der Dämmerung wache ich wieder auf. Es ist so ruhig! Bis auf meinen Tinnitus höre ich nichts! Einerseits: herrlich! Andererseits: Wo sind die Vögel? Rings um mich ist alles voll von Bäumen, aber kaum ein Vogel zu hören!? Ob denen zu kalt zum Zwitschern ist? Mein Thermometer zeigt 4° Celsius.

Nach kalter, aber schöner Nacht
Fifty shades of green im Hahnenbachtal

Noch einige anstrengende Kilometer bleibe ich im Hahnenbachtal und passiere die Schmidtburg, eine erstaunlich große Burganlage, die bereits im Jahr 926 errichtet worden sein soll. Natürlich heute eine Ruine, ist sie aber immerhin soweit konserviert worden, dass sie nicht weiter verfällt.

weiter im Hahnenbachtal
Die Schmidtburg
Das alte Rathaus in Hahnenbach

In Kirn komme ich an die Nahe, der ich abwärts bis Sodernheim folge, bevor ich ins Glantal abbiege. An diesem Tag fahre ich noch bis zu Leo in der Nähe von Kaiserslautern, aber da das alles bereits zur Pfalz gehört, dazu mehr im nächsten Beitrag!

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Walter Westrupp
3 Jahre zuvor

Da kommen beim Lesen viele schöne Erinnerungen hoch – das war eine schöne Zeit mit Bauer Plath und seiner Familie, aber auch die Dorfgemeinschaft war ein Erlebnis – und die Umgebung war einfach „märchenhaft“. Schöner Artikel.

Viktor
4 Jahre zuvor

Cooler Mix aus Reinhard Mey, Neil Young und Novalis!!!
Coole Tour!