Beinahe auf der beinahe höchsten Klippe Europas

595m steigt der Slieve League direkt aus dem Meer auf und gilt damit als die höchste Klippe Irlands. Die Bewohner von Achill Island reklamieren mit dem Croaghaun allerdings die höchste Klippe Europas für sich. Und der liegt ebenfalls in Irland. Oops!? Der Croaghaun ist mit 664m tatsächlich um 69 Meter höher höher als Slieve League. Letzterer ist dafür bekannter, auch leichter erreichbar und die Klippen sind von einem Aussichtsparkplatz aus einsehbar. Wir hatten eigentlich beide besteigen wollen, auf Achill Island war das Wetter aber zu schlecht. Für heute ist dagegen brauchbares Wetter angesagt: es soll im Laufe des Tages freundlicher werden, so dass wir hoffen, uns die Aussicht nicht nur vorstellen zu müssen.

Wir lassen das Auto auf einem Parkplatz oberhalb von Teelin stehen und laufen auf der Straße noch 20 Minuten weiter bis zu deren Ende an einem Aussichtspunkt mit Kaffebude, Eisstand und Souvenirladen – alles mobil in Anhängern untergebracht, so dass sie nur bei Touristenwetter in Betrieb genommen werden. Auch wenn der Gipfel des Slieve League noch in Wolken ist, ist das, was wir von seiner steil abfallenden Südostflanke sehen, schon ziemlich imposant. Umgewöhnlich aber, dass wir kaum Brandung sehen und die Klippen nahezu übergangslos ins Wasser stürzen. Das Meer wirkt wie hingelegt, kein Vergleich mit der Brandung, die wenige Tage vorher in Doolin bei Westwind noch die Autos am Hafenparkplatz mit bräunlich-weißer Gicht eingeschäumt hat. Grund ist wohl, dass heute untypischer Weise Ostwind herrscht.

Steinmännchenkunst mit Blick auf einen erstaunlich ruhigen Atlantik
Der Gipfel des Slieve League ist in den Wolken

Wir folgen einem Weg, der mit Treppenstufen und Kiespassagen so gut ausgebaut ist, dass mit uns noch viele Andere in Richtung des Scregeighter laufen, der mit 308m Höhe ersten Erhebung auf der Klippenkante. Mit zunehmender Entfernung vom Parkplatz und häufiger auftretenden Moorpassagen nimmt die Bevölkerungsdichte aber immer weiter ab. Meistens rechts vom Grat steigen wir auf Wegspuren und durch teils stark erodiertes Gelände bis zum Beginn des sog. „One Man’s Pass“. Vor 42 Jahren habe ich mit meiner damaligen Freundin Gaby schon einmal in Teelin an einem Wegweiser zum One Man’s Pass gestanden. Schon der Name war imponierend. Erst recht der Hinweis, dass dieser „Weg“ bei Sturm und Nässe extrem gefährlich sei. Zwar hatten wir damals schon Bergerfahrung, aber das hat uns dann doch abgeschreckt. Auch heute noch gibt es Warntafeln, die auf Wettergefahren, richtige Ausrüstung und notwendige Erfahrung hinweisen und die haben auch durchaus ihre Berechtigung.

Tiefblick!
Am Cnoc Ramhar

Der „normale“ Wanderer kann die Schlüsselstelle rechts umgehen. Wer aber sicher und schwindelfrei ist, dem bietet sich eine kurze, luftige Kletterei auf einem ca. 40 cm breiten, geneigten Felsgrat, von dem es zu beiden Seiten steil hinuntergeht, rechts ins Tal, durch das ein Pilgerweg verläuft und links in den Atlantik. Da der Fels, über den wir nun hinauf turnen, fest und rauh ist, ist das schon ein erhebendes Gefühl! Nässe oder Sturm, von denen wir zum Glück verschont sind, wären aber unbedingte K.O.-Kriterien!

Mit dem Kopf beinahe in den Wolken!
Auf dem One Man’s Pass

Der Rest des Weges führt wieder über meist torfig-sumpfige Wiesen, bis wir auf das Ende des Pilgerweges stoßen. Von hier aus läuft man noch einen Kilometer über die immer flacher werdenden Klippen bis zum eigentlichen Gipfel. Leider sind wir jetzt doch in den Wolken, die sich immer noch am Slieve League verbeißen. Aber wir haben bereits herrliche Tiefblicke gehabt, den One Man’s Pass hinter uns – was wollen wir mehr? Jedenfalls nicht Aussichts-los in den Wolken herum stehen. Wir steigen über den Pilgerweg ab. Als wir im Tal sind, ist der Gipfel natürlich doch frei – Murphy mal wieder!

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P.S.: Dieser Beitrag erscheint mit einigen Tagen Verspätung, da mehrere Zeltplätze mit schlechtem oder gar keinem WLAN dazwischen lagen.

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Viktor
4 Jahre zuvor

„Auf dem One Man’s Pass“ — tolles Bild!!!