Ärgerliches und Nachdenkliches

von Raudnitz nach Leitmeritz

Mein Perso ist weg! Genauer gesagt, in der letzten Pension liegen geblieben. Ich hatte ihn der Vermieterin für die Anmeldung gegeben und da lag er heute noch. Klar ärgere ich mich über die Frau, aber genauso viel auch über mich. Nach Abwägung aller Möglichkeiten, entschließen wir uns, den Vormittag mit einer Taxifahrt zurück nach Brandys zu verbringen; also: ich fahre mit dem Taxi und Uta räumt in aller Ruhe das zelt leer, packt und trinkt noch einen Tee, oder zwei, … Mittags bin ich zurück, um einen Perso reicher und um ca. € 52,- ärmer (vergleichsweise zivil für die Strecke) und wir haben erst einmal wieder Hunger. Also gehen wir direkt in Roudnice, kaum, dass wir losgefahren sind, erst einmal Essen. Buffet für 95 Kronen – rund € 4,-. Tschechien ist schon recht günstig!

Rückblick auf Roudnice (Raudnitz)

Bier an Drähten: eine von vielen böhmischen Hopfenplantagen

Das Böhmische Mittelgebirge lässt schon mal grüßen!

Heute bleiben wir von „naturnahen Wegen“ verschont und gleiten außerdem ohne Gegenwind nach Terezin, im deutschen Sprachgebrauch besser bekannt als Theresienstadt. Ursprünglich als Festungsstadt von Kaiser Franz Josef II. erbaut und zu Ehren Maria Theresias benannt – wobei die Bauzeit 10 Jahre betrug und pro Jahr 20 Millionen frisch gebrannter Ziegel verschlungen hat – ist sie unter den Nazis zu einem Ghetto, einem SS-Gefängnis und einem KZ umfunktioniert worden. Die 3.000 Einwohner mussten raus, Juden rein. Immer taucht für Theresienstadt das Wort „Durchgangslager“ auf, da viele Juden von hier aus in die Vernichtungslager Auschwitz, Treblinka und Majdanek weiter transportiert wurden, das verharmlost aber den Umstand, dass von den ehemaligen Ghetto-Bewohnern und KZ-Insassen letztlich nur eine verschwindend kleine Anzahl überlebt haben. Auch wenn ich als jemand, der 13 Jahre nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reichs“ geboren wurde, keine persönliche Schuld verspüre, beschämt es mich doch immer wieder, wozu Menschen fähig waren, die meine Sprache sprachen, die in demselben Land aufgewachsen sind wie ich und dieselben Dichter und Denker zu ihren Traditionen zählen durften.

In der „Kleinen Festung“

In diesen Bettgestellen schliefen 70 – 90 Gefangene

Deutsche Gründlichkeit

Die Kirche der Garnisonsstadt ist genauso gigantisch und klobig wie auch in der Festungsstadt Josefov

Nachdem die Besichtigung der Kleinen Festung (des ehemaligen SS-Gefängnisses) und des Ghetto-Museums erwartungsgemäß einige Zeit verschlingt, war uns vorher schon klar, dass wir an diesem Tag nicht weiter kommen. Wir bleiben in Litomerice (Leitmeritz)

25 km / 110 Hm

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